Klimawandel

Volle Fahrt in Richtung Klimaanpassung

Wasserstraßen und Klimaanpassung? Zwei Themenkomplexe, die auf Grund der Häufung von Extremereignissen wie Niedrigwasser oder Starkregen in den vergangenen Jahren immer mehr zusammengerückt sind. Um aktuelle Forschung der BAW dazu in einem internationalen Kontext vorzustellen und zu diskutieren, war die BAW auf der diesjährigen 7. Adaptation Futures Konferenz vertreten.

Die Adaptation Futures Konferenz fand vom 02. bis 06. Oktober 2023 in Montréal (Kanada) statt und widmete sich ausschließlich der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Die Konferenz ist eine Veranstaltung des „World Adaptation Science Programme“, welches eines von vier Bestandteilen des „World Climate Programme“ bildet. Die kanadische Großstadt bot eine „gute“ Kulisse für eine solche Konferenz, da Tageshöchsttemperaturen von bis zu 28 °C im Oktober die Notwendigkeit der Klimaanpassung unterstrichen. Mit über 2000 Teilnehmenden und fast 180 Sessions (teils hybrid angeboten) wurde auf der Konferenz Raum für eine Vielzahl an Themen geschaffen. Das Programm reichte von Fehlanpassung über Anpassungswege hin zur Rolle von WissensvermittlerInnen in der Klimaanpassung. In Vorträgen sowie partizipativen Sessions wurden unterschiedliche Konzepte und Fallstudien diskutiert. Der Austausch zwischen ExpertInnen hat Einblicke in die Anwendbarkeit unterschiedlicher wissenschaftlicher Methoden gegeben. Dies ermöglicht es, die eigene Arbeit in den Forschungsbereich der Klimaanpassung einzuordnen und weiterzuentwickeln. 

Um die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden auf die Herausforderungen der Klimaanpassung von Wasserstraßen zu lenken, wurde in der Session „Basins’ Resilience, Water Adaptation and Management: Challenges and Opportunities” unter anderem das an der BAW im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerks durchgeführte FuE-Projekt „Klimawirkungsanalyse für die Binnenwasserstraßen“ vorgestellt. In dem Vortrag ging es insbesondere darum zu verdeutlichen, wie Wissen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Binnenwasserstraßen gewonnen und in die Praxis gebracht werden kann, um eine prozessbezogene Klimaanpassung zu unterstützen. Das Thema traf auf großes Interesse und Fragen, wie bspw. zu der Möglichkeit einer länderübergreifenden Anwendung der Methode, wurden gestellt und diskutiert.

Fünf spannende Konferenztage haben gezeigt, dass Klimaanpassung sehr vielfältig ist, jedoch die Umsetzung auf lokaler Ebene und das Einbeziehen unterschiedlicher Interessensgruppen von größter Bedeutung ist. Motiviert statt frustriert ging es zurück nach Karlsruhe, um die Anpassung der Wasserstraßen an den Klimawandel weiter voranzubringen.

Happy Birthday, Rijkswaterstaat!

Vor 225 Jahren wurde Rijkswaterstaat (RWS) gegründet, die niederländische Institution für Entwicklung, Bau, Betrieb und Unterhaltung niederländischer Primärinfrastruktur. Dieses Jubiläum feierte RWS vom 01. bis 03. November im schönen Delft mit dem International symposium on adaptive management of urbanized deltas und mit Gästen aus 27 Staaten von Albanien über China bis zu den USA.

Über verschiedenste Formate konnten sich die Teilnehmenden einen breit gestreuten Ein- und Überblick über Fragestellungen und Lösungsansätze im internationalen Umfeld zum Thema Anpassung an die Folgen des Klimawandels verschaffen: Von hochrangig besetzten Keynotes über Impulsvorträge und Exkursionen bis hin zu Kaffeepausen ergab sich viel Raum und Bereitschaft zum persönlichen Kennenlernen und fachlichen Austausch.

Von den vielfältigen BAW-Aktivitäten im Kontext Anpassung an den Klimawandel konnten im Rahmen der Session Climate resilient waterways: cross border challenges Impulse zur vorausschauenden Anpassung der Bundeswasserstraßen an zukünftige vom Klimasystem gegebene Randbedingungen gesetzt und die folgenden ausgewählten Beispielprojekte kurz skizziert werden: BAW-Beiträge zum Aktionsplan „Niedrigwasser Rhein“, DAS Basisdienst Klima&Wasser, KlimoBin (Klimawandel-bedingte Veränderungen der Morphodynamik der Binnenschifffahrtsstraßen) sowie das Infosystem zu Wirkungen veränderter klimatischer Randbedingungen auf die Bundeswasserstraßen (im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerks). Die Impulse stießen international auf großes Interesse, was sich an den vielen vertiefenden Gesprächen im Nachgang zur Fachsession zeigte.

Ein weiterer Bestandteil des Symposiums waren Ausflüge zu prominenten und aktuellen Rijkswaterstaat-Projekten (z. B. zu den Seeschleusenanlagen IJmuiden) sowie Partnerinstitutionen (Deltares). Obwohl sich durch den Durchzug eines Ausläufers des Sturmtiefs Ciarán Einschränkungen bei Begehungen im Außenbereich ergaben, konnten die Exkursionen durchgeführt werden – ganz im Gegenteil zur Holländischen Meisterschaft im Tegenwindfietsen (gegen-den-Wind-Radeln), die leider wegen zu starken Windes abgesagt werden musste.

Im Verlauf des Symposiums fand insgesamt der Kurs der BAW Bestätigung, sich auch der Anpassung an den Klimawandel sowie dem Klimaschutz intensiv zu widmen und dabei die richtigen Fragen zu stellen. Die klimawandelbedingten Herausforderungen für Wasserstraßen haben – unbeschadet regionaler Besonderheiten – international große Ähnlichkeiten. Der Austausch zu Lösungsansätzen auch über das Symposium hinaus dürfte daher von großem Vorteil für alle Institutionen sein, die sich des Themas angenommen haben.

Künstlerische Visualisierung von Inhalten, die auf dem Symposium diskutiert wurden.
Visualisierungen zur Veranstaltung; Quelle: RWS

An diesem Beitrag hat dankenswerterweise Hauke Stachel mitgewirkt.

Starkregen ein toter Winkel der Wasserstraße – Der Fall: Stuttgart am Neckar

Den toten Winkel kennt man meist nur aus dem Straßenverkehr. Eine oft unbemerkte und doch potenziell fatale Gefahr. Ein Starkregenereignis kann durchaus einen ähnlichen Effekt auf die Wasserstraße haben. Inwiefern? Was ist zu tun? Das will ich heute erklären.

Vor einigen Jahren erreichte uns die Nachricht, dass es in der Stauhaltung Hofen am Neckar nahe der Stadt Stuttgart immer wieder zu unerklärlichen Wasserstandsanstiegen kommt. Vor allem im Sommer passierte es, dass der Wasserpegel plötzlich rasant anstieg und das Betriebspersonal der Staustufe nur noch nachträglich versuchen konnte die Schwankungen in den Griff zu kriegen, um die Schifffahrt möglichst nicht zu gefährden. Kleine Wasserstandschwankungen können ausreichen, dass der Platz unter Brücken für die Schiffe knapp wird oder sie den Grund des Flusses berühren. Eine Erklärung für die Schwankungen in Hofen musste her und meine Kolleg*innen machten sich auf die Suche.

Schnell stellte sich heraus, dass hier die Kanalisation von Stuttgart ihre Finger im Spiel hat.  Starkregenereignisse führen nicht immer zu Hochwasser und Überschwemmungen, sie können aber zeitweise unsere Kanalisation an ihre Grenzen bringen. So auch in Stuttgart. Tritt hier ein Starkregenereignis auf, so kann die Kanalisation nicht das komplette Regenwasser zur Kläranlage abführen, sondern das Wasser wählt gegebenenfalls den „Notausgang“.  Das heißt das Wasser wird aus der Kanalisation in den Neckar abgegeben. Gerade im Sommer, wenn der Neckar sowieso schon wenig Wasser hat, kann dies fatale Folgen haben. Es ist möglich, dass aus der Stuttgarter Kanalisation ein zehnmal größerer Abfluss kommt, als im Neckar selbst vorhanden ist. Für mich persönlich kaum vorstellbar, aber eine reale Tatsache und bestimmt kein Einzelfall. Ich reiste während meiner Masterarbeit nach Stuttgart und schaute mir diesen „Notausgang“, in der Fachsprache Entlastungsbauwerk genannt, einmal an:

Am rechten Uferrand, unmittelbar hinter der Bahnbrücke (oberhalb meines Ellbogens), erkennt man das Bauwerk. Sehr unauffällig gliedert es sich in die grüne Landschaft ein. Bahn- und Fahrradwege führen entlang und nur das Auge einer Fachperson lässt erahnen worum es sich handelt.

Genau an dieser Stelle rauscht also an regnerischen Sommertagen unbemerkt das überschüssige Wasser aus der Kanalisation in den Neckar? Die Untersuchungen zeigen: wellenartig strömt das Wasser den Neckar entlang und erreicht die Staustufe. Was tun? Es gibt eine scheinbar einfache Lösung. Schauen wir uns die Staustufe Hofen mal genauer an:

Das Wasser steht hier echt bis zum Rand, aber staugeregelte Wasserstraßen, wie der Neckar, sind mithilfe der Wehranlagen und Kraftwerksturbinen regelbar. Demnach kann das Betriebspersonal Einfluss auf den Wasserstand nehmen. Ist das Personal rechtzeitig informiert, ob und wieviel Wasser aus der Kanalisation in den Neckar kommt, so ist das Personal in der Lage vorrausschauend zu handeln. Bei Regelungssystemen ist diese Vorausschau entscheidend.  Dadurch ist es möglich, aktiv Wasserstandsschwankungen entgegen zu wirken und eine problemlose Schifffahrt sicherzustellen. Bildlich gesprochen, kann man sich für die Wasserstandsänderung schonmal bereithalten.

Die maximale Wassermenge, welche die Kanalisation an die Wasserstraße abgeben darf, ist zwar gesetzlich geregelt, der aktuelle Wert wird aber nicht gemessen. Deswegen haben sich im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerks (Bundesministerium für Digitales und Verkehr) der DWD (Deutsche Wetterdienst) und die BAW zusammengeschlossen und ein Live-Prognosesystem für die Stauhaltung Hofen am Neckar entwickelt. Der DWD liefert die benötigten Regenprognosen und die BAW errechnet anhand eines Modells, wieviel Wasser in den Neckar abgegeben werden wird. Die Neckar AG, in den meisten Fällen verantwortlich für den Wasserstand, kann wiederum jederzeit auf die Prognose der BAW zugreifen. Die Neckar AG erhält die entscheidende Information und kann vorrausschauend handeln.

So ist ein beeindruckendes Forschungsprojekt entstanden. Der Fall um die Stauhaltung Hofen konnte gelöst werden und die Neckar AG kann derzeit vom neuesten Stand der Forschung profitieren. Ich durfte im Rahmen meiner Masterarbeit in das Thema einsteigen und bin nun seit Ende letzten Jahres als wissenschaftliche Mitarbeiterin der BAW mit an der Projektbearbeitung beteiligt.

Ich freue mich auf viele weitere spannende Herausforderungen und blicke schon sehr gespannt in Richtung Oktober. Zusammen mit meinem Kollegen des DWD darf ich dieses Projekt bei der zweiten Verkehrs- und Infrastrukturtagung des BMDV-Expertennetzwerks in Berlin vorstellen; hier der Link für mehr Infos zur Veranstaltung:

https://www.bmdv-expertennetzwerk.bund.de/VIT2023

Die Küste im Klimawandel – Von der Forschung zum Dienst

Die Küstengebiete der Nord- und Ostsee: Weltnaturerbe Wattenmeer, 23000 km² Seeschifffahrtsstraßen, rund 600 km Deichlinie und Lebensraum von über 7 Mio. Menschen. Zahlreiche Akteure wie Küstenschützer und Hafenbetreiber arbeiten an und mit der Küste. Der Klimawandel stellt alle vor Herausforderungen.

Wie wird sich die Küste zukünftig durch Klimawandel verändern? Welche Informationen brauchen die zahlreichen Akteure an der Küste um den Herausforderungen zu begegnen? Diese und ähnliche Fragen wurden Mitte September beim Workshop „Die Küste im Klimawandel – von der Forschung zum Dienst“ am BSH diskutiert. Vertreten waren rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Bundesbehörden, Landesbetrieben, Universitäten und Unternehmen. Eingeladen hatten der DAS-Basisdienst „Klima und Wasser“ sowie das BMDV-Expertennetzwerk.

Teilnehmende des Workshops vor dem BSH in Hamburg, Quelle BSH

Ziel des Workshops war es, das Wissen zu den Änderungen des Systems durch den Klimawandel zusammenzutragen, festzustellen wo die Herausforderungen liegen und wie diese gemeinsam angegangen werden können um die Küste nachhaltig zu schützen. Themenschwerpunkte waren unter anderem Wattenmeer und Ästuare, Küstenschutz, Seegang, regionale Meeresspiegeländerungen sowie ozeanographische und meteorologische Daten. Anschließend an einleitende Vorträge tauschten sich die Teilnehmenden in Kleingruppen über ihre Bedarfe an Daten und Produkten zu den jeweiligen Themen aus, welche sie für eine Anpassung an den Klimawandel benötigen.

In den zwei Tagen sind zahlreiche Wünsche, Ideen und Anregungen gesammelt worden, die teilweise bereits im DAS-Basisdienst „Klima und Wasser“ und dem BMDV-Expertennetzwerk bearbeitet werden bzw. in die zukünftigen Arbeiten und Untersuchungen einfließen.

Der Workshop hat gezeigt, wie wichtig der direkte Austausch zwischen Anwendern und Forschung ist und wie schön es ist sich endlich wieder in Präsenz zu sehen.

Sturmebben in der Tideelbe im Klimawandel

Sturmebbe in der HafenCity (HafenCity Zeitung | Michael Baden)

In einer Zusammenarbeit von BAW und BSH im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerk Themenfeld 1 wurden Ereignisse untersucht, die im Allgemeinen eher weniger Beachtung finden: „Sturmebben“. Mit diesem von uns verwendeten inoffiziellen Begriff meinen wir das Gegenteil von Sturmfluten, somit also besonders niedrige Wasserstände, welche durch starken ablandigen Wind entstehen. Während dieser Ereignisse kann es zu Einschränkungen des Schiffsverkehrs der in den Ästuaren (tidebeeinflussten Flussmündungen) verlaufenden Bundeswasserstraßen kommen. Außerdem können extrem niedrige Tideniedrigwasserstände die Standfestigkeit von Uferbauwerken gefährden, sodass das NNTnw (niedrigster bekannter Tideniedrigwasserstand) als ein zu berücksichtigender Bemessungsparameter für viele Bauwerke herangezogen wird. Das Fokusgebiet der Untersuchung ist das Elbeästuar, ein wichtiger Verkehrsweg, in dem sich mit dem Hamburger Hafen der größte deutsche Seehafen und drittgrößte Containerhafen Europas befindet.

Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, welchen Einfluss der Klimawandel in Zukunft auf Sturmebben haben könnte. Der Klimawandel kann Sturmebben zukünftig hinsichtlich mehrerer Prozesse beeinflussen:  durch eine Veränderung der Wetterlagen- und Abflussverhältnisse sowie den globalen mittleren Meeresspiegelanstieg (SLR) (IPCC 2021). Der SLR wird die Wasserstände in der Deutschen Bucht und der Tideelbe anheben und die Tidedynamik verändern, was wiederum zu einer Veränderung der Watttopographie führen kann. Die Wattgebiete in der Deutschen Bucht haben somit das Potential, zumindest anteilig mit dem SLR mitzuwachsen. Ein mögliches verändertes Niederschlagsverhalten im Einzugsgebiet der Elbe beeinflusst den Abfluss in die Tideelbe, welcher wiederum Einfluss auf die Wasserstände hat. Einige mögliche Einflussfaktoren auf Ästuare der Deutschen Bucht im Klimawandel sind in der nachfolgenden Abbildung skizziert.

Ästuar im Klimawandel (BAW)

Welche Wetterlagen Sturmebben in der Tideelbe begünstigen, und wie sich diese Wetterlagenverhältnisse in Zukunft durch den Klimawandel verändern könnten, wurde im Rahmen des Expertennetzwerkes vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) untersucht, während an der BAW die Wirkung möglicher klimawandelbedingter Änderungen der drei Einflussfaktoren Abfluss, SLR und Wattwachstum auf extrem niedrige Tideniedrigwasserstände während Sturmebben in der Tideelbe untersucht wurde. Um die Wirkung dieser drei Einflussfaktoren zu untersuchen, wurde ein hydrodynamisch-numerisches Modell verwendet. Dieses umfasst das Gebiet der gesamten Deutschen Bucht von Terschelling in den Niederlanden bis Hvide Sande in Dänemark sowie die Ästuare von Ems, Weser und Elbe:

Deutsche Bucht Modell (BAW)

Es wurde eine Sturmebben-Kette aus dem Jahr 2018 und eine Sturmebben-Kette aus dem Jahr 1987 mit dem Modell simuliert.  Dabei wurden sowohl der Referenzzustand, als auch verschiede Abfluss-, SLR- und Topographieszenarien untersucht.

Im Fokus der Auswertungen lag hierbei der niedrigste Tideniedrigwasserstand (NTnw) am Pegel St. Pauli. Dieser Pegel ist charakteristisch für den Hamburger Hafen. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass der NTnw durch den SLR ansteigt, jedoch nicht in vollem Maße des eingesteuerten SLR. Bei den untersuchten Szenarien mit 10, 30, 50, 80 und 110 cm SLR ohne sowie mit vollständigem Wattwachstum steigt das NTnw 2018 bei St. Pauli um 84-94 %, bezogen auf den jeweiligen SLR. Die Rolle des Abflusses hängt von dessen Stärke ab. Je höher der Abfluss, desto größer ist der Einfluss auf die Wasserstände am Pegel St. Pauli. Bei einem Abfluss von mehr als 1000 m³/s liegt der Einfluss auf das NTnw der Sturmebbe 2018 bei etwa 2,3 cm pro 100 m³/s. Würde das meteorologische Ereignis 1987 bei heutiger Topographie, heutigem mittleren Meeresspiegel und niedrigerem Abfluss (400 m³/s) noch einmal auftreten, so könnte, auf Basis der Modellergebnisse, das bisherige NNTnw am Pegel St. Pauli um ca. 30 cm untertroffen werden.

Vorläufige Ergebnisse des BSH (Jensen et. al. In prep.) deuten darauf hin, dass Sturmebben begünstigende Wetterlagen im Klimawandel zukünftig seltener werden.  

Nach diesen Erkenntnissen wird es im Klimawandel, insbesondere durch den Meeresspiegelanstieg, langfristig zu einer geringeren Beeinträchtigung durch Sturmebben in der Tideelbe kommen. In naher Zukunft können jedoch bisherige extrem niedrige Wasserstände in der Tideelbe untertroffen werden, bevor die Wirkung des Meeresspiegelanstiegs überwiegt.

Genauere Informationen zu den verwendeten Daten, Methoden und Ergebnissen können in dem vor kurzem erschienen gemeinsamen Bericht „Sturmebben in der Tideelbe im Klimawandel“  (https://doi.org/10.18451/expn_2022_01) nachgelesen werden.

Referenzen:

IPCC (2021) Summary for Policymakers. In: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Intergovernmental Panel on Climate

Jensen et. al. (in prep.)  Negative storm surges in the Elbe estuary – Large-scale meteorological conditions and future climate change. In: atmosphere.


Die Zukunft im Klimawandel?

Abb. 1: BAWBildatlas – Darstellung möglicher Zukünfte im Klimawandel

Meeresspiegelanstieg, Meteorologie, Topographie des Wattenmeers, binnenseitiger Abfluss in die Ästuare, … alles wird sich im Klimawandel verändern. Und das nicht einzeln nacheinander, sondern alles parallel auf unterschiedlichen Zeitskalen, weil alles mit allem zusammenhängt.
Wir wagen einen Blick in die Zukunft und zeigen mit Hilfe von Computersimulationen, was uns erwarten könnte.

In vorangegangenen Studien wurden die zahlreichen an der Küste vom Klimawandel beeinflussten Komponenten einzeln untersucht. Im BMVI-Expertennetzwerk gehen wir einen Schritt weiter und wollen herausfinden, wie eine mögliche Zukunft aussehen kann, in der die zu erwartenden Veränderungen zusammenspielen.

Abb. 2: Mittlere Überflutungsdauer im heutigen Zustand (oben) und in der fernen Zukunft (unten).

Für die nahe Zukunft (2031-2060) und ferne Zukunft (2071-2100) werden einzelne Jahre mit einem hydrodynamisch-numerischen Modell simuliert und die kombinierten Auswirkungen des Klimawandels auf die Deutsche Bucht und die angrenzenden Ästuare Ems, Weser und Elbe analysiert.
Die dafür benötigten Randwerte werden durch die Bundesoberbehörden BSH, DWD, BfG und BAW erarbeitet.
Aus den Ergebnissen können mögliche Betroffenheiten für Infrastruktur sowie Küsten- und Naturschutz abgeleitet werden. Beispielsweise lässt sich folgern, dass die Wattflächen in der fernen Zukunft im Vergleich zum heutigen Zustand abnehmen können (Abb. 2).

Weitere Ergebnisse sind in dem nun erschienenen BAW Bildatlas „Darstellung möglicher Zukünfte im Klimawandel“ zusammengefasst und können online eingesehen werden.

Iceland & ECSMGE – TC201 & red lava

Anfang September fand auf Island die European Conference on Soil Mechanics and Geotechnical Engineering (ECSMGE) statt. Das Technical Committee (TC201) “Dykes and Levees”, in dem ich (Martin Pohl) Sekretär bin, hatte einige Aktivitäten über die kurz berichtet werden soll.

Konferenzzentrum HARPA

Beginnen möchte ich jedoch mit den Reden von der Opening Ceremony. Nahezu alle Redner wiesen auf die Bedrohung durch den Klimawandel eindringlich hin. In den arktischen Regionen sind die Auswirkungen seit längerem sehr deutlich zu spüren. Betroffen sind jedoch alle Gegenden der Erde. Die Delegierten wurden daher aufgefordert dem Klimawandel entgegenzutreten „to win the battle“ … „and not to destroy the earth“.
In der letzten Session vor der Closing Ceremony wurde das Thema wieder aufgegriffen und es wurden erfolgreich praktizierte Beiträge der Geotechnik gezeigt, um Energie einzusparen, wie z.B. Energie-Pfähle, bzw. Versuche gezeigt, um CO2 im Erdreich zu speichern oder umzuwandeln.

Nun zu den Aktivitäten des TC201 auf der ECSMGE:
Durch den Klimawandel mit einem prognostizierten Anstieg des Meeresspiegels sowie bereits zu beobachtenden weltweit vorkommenden Überflutungen gewinnen Deiche und Dämme an Wichtigkeit, was man am gesteigerten Interesse in der Internationalen Community gegenüber der letzten Konferenz in Seoul 2017 deutlich merkte.

Workshop mit Vorträgen aus den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien:
Durch den Klimawandel nehmen die Belastungen auf Deiche und Dämme zu. Bisher weniger erforschte mögliche Versagensmechanismen, die unter den geänderten Bedingungen an Relevanz gewinnen, wie z.B. Piping, werden daher aufwändig untersucht sowie Präventionsmaßnahmen / Optimierungen gesucht. Interessant ist, dass in den Niederlanden hierfür ein beträchtliches Forschungsbudget von 5 Mio € pro Jahr zur Verfügung steht. Neben großmaßstäblichen Modellversuchen werden bei den Forschungen sogar full-scale-tests ausgeführt. Weitere Modellversuche in Zentrifugen zum Prozessverständnis der inneren Erosion wurden vorgestellt und diskutiert ebenso wie die aktuellen Entwicklungen im europäischen Forschungsprojekt ICOLD/EUCOLD.

Ausschusstreffen mit Vertretern aus den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Portugal, Mexiko und Deutschland:
Um den Stand des Wissens und der Technik international abzugleichen, wurden die zukünftigen Aktivitäten des Ausschusses diskutiert. Workshops und Sessions werden daher auf der PanAmerikanischen Konferenz in Mexiko 2019 stattfinden sowie auf der ICSMGE 2021 in Australien. Des Weiteren wird es Joined-Sessions mit anderen TCs (TC106 Unsaturated Soils , TC210 Dams) auf Konferenzen geben. Webinare (Video-Vorlesungen) sollen auf der ISSMGE-homepage (www.issmge.org) veröffentlicht werden, damit jede Person mit einem Internetzugang die Informationen erlangen kann. Eine gemeinsame Veröffentlichung über mögliche Versagensmechnismen soll erarbeitet werden, um Forschungsbedarf zu ermitteln und Aktivitäten in diesem Bereich (auch unter dem Zeichen des Klimawandels) voranzutreiben. Die erheblichen und erstmalig beobachteten Auswirkungen auf Deiche und Dämme durch lang anhaltende Trockenperioden, wie in Europa 2018, wurden diskutiert.

Session mit Vorträgen aus den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Deutschland, Italien, Mexiko und den USA:
Neben ähnlichen Aspekten wie im Workshop, wurden probabilistische Verfahren sowie Vorgehensweisen für eine Risikoabschätzung diskutiert. Ein weiteres wichtiges Thema war die Bestandsaufnahme von Deichen und Dämmen sowie die Erstellung eines Katasters mit allen Einfluss- und Zustandsgrößen für eine real-time Bewertung. Dieses auf nationaler Ebene aber auch im internationalen Vergleich.

Zum Abschluss der Konferenz unternahm ich noch eine private geologische Exkursion zu Pferd. Landestypisch auf einem Islandpferd sowie bei 10°C und Nieselregen. Wir ritten auf schwarzen Lavapfaden zu einer einmaligen Stelle auf Island, wo rote Lava im Anschnitt zu sehen ist; entstanden dadurch, dass Lava vor langer Zeit aus einem Vulkan unter Wasser ausgetreten ist und mit Eisen versetzt wurde. Diese Schicht wurde anschließend durch die Plattentektonik über die Geländeoberfläche gedrückt; so die isländische Reitführerin. Für einen norddeutschen Geotechniker eine ehrfurchtsvolle Vorstellung.