Martin Hämmerle

Den Schalk im Nachen

Perspektivwechsel können durchaus lehrreich sein. In diesem Sinne hat sich am 13. Juni eine kleine Gruppe aus dem BAW-Kollegium in Richtung Germersheim aufgemacht, um den Rhein zu genießen. Nicht mit dem wohl eher üblichen Blick vom Ufer auf den Fluss, sondern genau umgekehrt: Mit dem E-Nachen ging es auf den Lingenfelder Altrhein. Unser Guide war in bewährter Manier der Biologe Harald Jonitz.

Bei relativ hohem Wasserstand (Pegel Maxau 13.06.24 18:00: 710 cm, Tendenz fallend) war der Großteil der Auen überströmt. Besonders beeindruckend waren die komplexen Strömungsverhältnisse, die sich aus dem Wechselspiel zwischen Hauptstrom und Nebenstrom über die verschiedenen Anbindungen zum Lingenfelder Altrhein sowie zum Schwarzwald-Baggersee ergeben: Vom Hauptstrom drückte noch so viel Wasser durch den unterstromigen Mündungsbereich des Altrheins in den Baggersee, dass der Abfluss im restlichen Altrhein blockiert war. Lokale Aufwallungen trüben Wassers aus dem Hauptstrom im klaren Wasser des Altrheins, Uferabbrüche, Verwirbelungen bis hin zu Strudeln und die teils sehr hohen Strömungsgeschwindigkeiten unterstrichen, dass Auen ein Bereich ausgeprägter Dynamiken sein können.

Auch wenn wir leider schon wieder erfolglos bei der Suche nach der verschwundenen Lok und dem Rheingold waren, konnten wir unmittelbar und somit besonders beeindruckend das System Fluss erleben. Danke, Harry, für die wieder mal sehr schöne Exkursion!

Dank fürs Mitschreiben und Gegenlesen geht an Eduard Schäfer, Katharina Stickl, Peter Servouse und Sophia Peschko.

Aufnahmen: Steilwand: Peter Servouse (bei dieser Aufnahme handelt es sich zudem um den weltweit ersten Foto-Nachweis des Oberrheinischen Auen-Zwergelchs), überfluteter Weg: Eduard Schäfer, restliche Fotos: Martin Hämmerle

Happy Birthday, Rijkswaterstaat!

Vor 225 Jahren wurde Rijkswaterstaat (RWS) gegründet, die niederländische Institution für Entwicklung, Bau, Betrieb und Unterhaltung niederländischer Primärinfrastruktur. Dieses Jubiläum feierte RWS vom 01. bis 03. November im schönen Delft mit dem International symposium on adaptive management of urbanized deltas und mit Gästen aus 27 Staaten von Albanien über China bis zu den USA.

Über verschiedenste Formate konnten sich die Teilnehmenden einen breit gestreuten Ein- und Überblick über Fragestellungen und Lösungsansätze im internationalen Umfeld zum Thema Anpassung an die Folgen des Klimawandels verschaffen: Von hochrangig besetzten Keynotes über Impulsvorträge und Exkursionen bis hin zu Kaffeepausen ergab sich viel Raum und Bereitschaft zum persönlichen Kennenlernen und fachlichen Austausch.

Von den vielfältigen BAW-Aktivitäten im Kontext Anpassung an den Klimawandel konnten im Rahmen der Session Climate resilient waterways: cross border challenges Impulse zur vorausschauenden Anpassung der Bundeswasserstraßen an zukünftige vom Klimasystem gegebene Randbedingungen gesetzt und die folgenden ausgewählten Beispielprojekte kurz skizziert werden: BAW-Beiträge zum Aktionsplan „Niedrigwasser Rhein“, DAS Basisdienst Klima&Wasser, KlimoBin (Klimawandel-bedingte Veränderungen der Morphodynamik der Binnenschifffahrtsstraßen) sowie das Infosystem zu Wirkungen veränderter klimatischer Randbedingungen auf die Bundeswasserstraßen (im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerks). Die Impulse stießen international auf großes Interesse, was sich an den vielen vertiefenden Gesprächen im Nachgang zur Fachsession zeigte.

Ein weiterer Bestandteil des Symposiums waren Ausflüge zu prominenten und aktuellen Rijkswaterstaat-Projekten (z. B. zu den Seeschleusenanlagen IJmuiden) sowie Partnerinstitutionen (Deltares). Obwohl sich durch den Durchzug eines Ausläufers des Sturmtiefs Ciarán Einschränkungen bei Begehungen im Außenbereich ergaben, konnten die Exkursionen durchgeführt werden – ganz im Gegenteil zur Holländischen Meisterschaft im Tegenwindfietsen (gegen-den-Wind-Radeln), die leider wegen zu starken Windes abgesagt werden musste.

Im Verlauf des Symposiums fand insgesamt der Kurs der BAW Bestätigung, sich auch der Anpassung an den Klimawandel sowie dem Klimaschutz intensiv zu widmen und dabei die richtigen Fragen zu stellen. Die klimawandelbedingten Herausforderungen für Wasserstraßen haben – unbeschadet regionaler Besonderheiten – international große Ähnlichkeiten. Der Austausch zu Lösungsansätzen auch über das Symposium hinaus dürfte daher von großem Vorteil für alle Institutionen sein, die sich des Themas angenommen haben.

Künstlerische Visualisierung von Inhalten, die auf dem Symposium diskutiert wurden.
Visualisierungen zur Veranstaltung; Quelle: RWS

An diesem Beitrag hat dankenswerterweise Hauke Stachel mitgewirkt.

Donau – Neckar – Rhein in knapp 2 Stunden

Am Montag, 29.05.2023 machte eine 26-köpfige Gruppe Studierender und wissenschaftlichen Personals des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der RWTH Aachen im Rahmen ihrer Pfingstexkursion den ersten Halt in Karlsruhe, um die BAW zu besuchen.

Nach der Begrüßung und einem kurzen Vortrag über Aufgaben, Struktur und Methoden der BAW, insbesondere des Referats Flussbau, besuchte die Gruppe, geführt von Kollegin Caroline Selheim und mir, verschiedene Stationen auf dem BAW-Gelände und in den Versuchshallen. Schwerpunkt waren gegenständliche Modelle für hydraulische und morphologische Fragestellungen sowie der Verweis auf entsprechende numerische Modelle und das zugrundeliegende Konzept der hybriden Modellierung, d. h. der komplementäre Betrieb unterschiedlicher Modellarten. Die Gruppe konnte somit bei schönstem Pfingstwetter innerhalb kürzester Zeit von der Donau an den Neckar und den Rhein springen!

Wir danken unseren Gästen für das Interesse und die regen Diskussionen bei guter Stimmung und hoffen, damit einen guten Start in die Exkursionswoche ermöglicht zu haben!

Die IWW-Pfingstexkursionsgruppe bei der BAW (Foto dankenswerterweise bereitgestellt von Fr. Schulte).
Die IWW-Pfingstexkursionsgruppe bei der BAW (Foto dankenswerterweise bereitgestellt von Fr. Schulte).

An diesem Beitrag hat Katharina Stickl mitgewirkt.

In 80 Containern (fast) um die Welt.  Als Zusatzfracht unterwegs zwischen Braunschweig und Hamburg.

Ein wichtiger und immer wieder besonderer Bestandteil der Aufgabe, sich mit Gewässern bestmöglich zu arrangieren, um sie auch als Verkehrsinfrastruktur nutzen zu können, ist das Be- und Erfahren einer Strecke. Auf entsprechenden Reisen erhält man ein besseres Verständnis von den lokal wirkenden Prozessen und übergeordneten Zusammenhängen sowie einen Eindruck von praktischen Fragestellungen und den Größenordnungen vor Ort.

Im Zuge solcher Bereisungen (z. B. Taucherglockenschiff-Kampagne 2020, Messmethodenvergleich 2021) stellte sich mir immer wieder die Frage, ob man die Bundeswasserstraßen auch aus Perspektive der Nutzung, also der Binnenschifffahrt kennenlernen könnte. Man kann – beispielsweise auf Frachtbinnenschiffen wie der M. S. Hanse, die mit Gästekabine und Mitnahmeangebot ausgestattet sind.

Nach einem knappen Jahr Vorlauf bei der Terminvereinbarung war es Ende Oktober 2022 so weit: Zwei Tage vor Beginn des angepeilten Zeitfensters kam der Anruf, an welchem Tag und wo in etwa der Zustieg erfolgen soll. Einen Tag vorher gab es noch eine konkrete Uhrzeit und eine detaillierte Ortsbeschreibung. Am Sonntag, 30.10.2022 um ca. 14:00 Uhr erfolgte dann der kleine Schritt von der linken Mauer des unteren Vorhafens des Schiffshebewerks Scharnebeck (Elbe-Seitenkanal bei Lüneburg) an Bord der M. S. Hanse, die als Verband mit dem Schubleichter Jale rund 80 Container nach Hamburg brachte.

Nach einer Begrüßung und der Sicherheitsunterweisung durch den Kapitän Henning Jahn sowie dem Angebot, mich unter Berücksichtigung der entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen frei auf dem Schiff zu bewegen, war ich als „Zusatzfracht“ aufgenommen, und Schiff und Besatzung fuhren mit ihrem Tagesgeschäft fort (Abb. 1).

Ein mit Containern beladenes Binnenschiff legt ab.
Abb. 1: Unterer Vorhafen des Schiffshebewerks Scharnebeck: Ablegen und Weiterfahrt des 173 m langen Koppelverbands aus M. S. Hanse und Schubleichter Jale.

Nach einem kurzen Ankommen und Orientieren in der großzügigen und komfortablen Gästekabine (inkl. kompletter Küche, da Selbstversorgung angesagt ist) ging ich für einen ersten Eindruck den Verband in seiner ganzen Länge bis zum Bug ab. Dort herrschte eine faszinierende Ruhe: Die zu diesem Zeitpunkt laufenden Maschinen waren weit weg und somit nicht zu hören, das Schiff glitt vermeintlich reibungslos und fast lautlos durch Wasser und Landschaft. In so einer Situation kann die Zeit leicht mal vergessen werden, so dass ich den restlichen Elbe-Seitenkanal (Abb. 2) und über eine lange Strecke auch die Elbe (Abb. 3) als Galionsfigur genoss.

Alle weiteren Einzelheiten des Aufenthalts auf der M. S. Hanse hier chronologisch zu präsentieren, würde für die Leserschaft zu langatmig – deshalb im Folgenden ein paar Anekdoten, angereichert mit Bildern.

Foto eines langen, geraden Stückes des Elbe-Seitenkanals zwischen Scharnebeck und Artlenburg.
Abb. 2: Elbe-Seitenkanal zwischen Scharnebeck und Artlenburg.
Foto eines langen, geraden Stückes der Elbe zwischen Artlenburg und Geesthacht.
Abb. 3: Elbe zwischen Artlenburg und Geesthacht.

Vorbei mit der ruhigen Fahrt war es dann recht bald im tidebeeinflussten Teil der Elbe unterstrom Geesthacht an den in Hamburg angesteuerten Containerterminals (Abb. 4, Abb. 5): Sobald ein Liegeplatz verfügbar war und das Personal sowie die Gerätschaften der Terminal-Logistikkette einsatzbereit waren, wurde das Schiff beim Lösch- und Ladevorgang Teil eines von außen betrachtet chaotisch wirkenden Treibens aus Containerbrücken, Portalhubwagen und allen anderen möglichen Vehikeln, sowie einer ganz eigenen Kakophonie aus akustischen Warnsignalen, Motorengeräuschen, Zurufen und metallischem Knirschen und Stoßen.

Detailkarte der Fahrten in Hamburg mit den Liegeplätzen an den Containerterminals Altenwerder, Tollerort und Burchardkai sowie den Liegeplätzen von Wartezeiten und Übernachtungen.
Abb. 4: Detailkarte der Fahrten in Hamburg. Die einzelnen Reisen sind farblich markiert und mit Datum versehen. Die kreisförmigen Markierungen mit Namen entsprechen den Liegeplätzen an Containerterminals, die kreisförmigen Markierungen ohne Namen entsprechen Liegeplätzen für Wartezeiten und Übernachtungen. Hintergrundkarte © basemap.de / BKG Nov 2022
Große und kleine Containerschiffe liegen am Containerterminal Burchardkai.
Abb. 5: Bunter Mix aus Binnenschiffen und Ozeanriesen – hier am Containerterminal Burchardkai.

Mit einem neuen Containersatz bestückt hieß es dann Strecke machen, also Abfahrt um 06:00 Uhr (Abb. 6) in die Norderelbe (Abb. 7) und hoffen auf zügiges „Treppensteigen“ an den zwei Stufen im Elbe-Seitenkanal (Abb. 8), namentlich Schiffshebewerk Scharnebeck (Abb. 9) und Schleuse Uelzen (Abb. 10). Auf den langen Stücken dazwischen boten sich einige Gelegenheiten, sich von der Mannschaft die aufwändige Schiffstechnik zeigen sowie die nicht minder aufwändigen Arbeiten auf dem Schiff erklären zu lassen, wie z. B. das Entrosten und Streichen kleinster unzugänglicher Winkel, Festmachen mit regennassen Tauen bei winterlicher Kälte, Kontrollgänge und Wartungsarbeiten im sehr beengten Raum zwischen den beiden Schiffshüllen, Wartung und Pflege der Maschinen, Leitungen, etc. pp.

Fragen zum hohen unternehmerischen Risiko, dem nötigen Unternehmergeist, den organisatorischen Aufgaben und den vielfältigen notwendigen Kenntnissen in der Binnenschifffahrt wurden im Steuerstand (Abb. 11) diskutiert. Vor allem die Kanalfahrt ist dabei ein wörtlich zu nehmendes Auf und Ab, weil vor jeder Brückenunterquerung der Steuerstand abgesenkt werden muss. Als wenig routinierter Gast fläzt man sich dabei recht schnell in den Stuhl, da man schwer einschätzen kann, um wie viel das Dach des Steuerstandes mehr absinkt als der Fußboden, wodurch Bilder von Schrottpressen vor dem geistigen Auge auftauchen, die nicht von dem Umstand entschärft werden, dass es (nur) für den Kopf des Kapitäns eine Aussparung in der Decke gibt. Bei Brückenunterquerungen bestätigt sich wieder, dass Technik hilfreich ist, wenn sie funktioniert: Online-IENC-Karten mit Echtzeit-AIS-Daten und Radar sind eine gute Sache, wenn man nicht gerade im Funkloch in einer Kurve unter einer Metallbrücke durchfährt. Wenn die Hilfsmittel nicht helfen, zählen in letzter Konsequenz doch wieder Ausbildung, Fähigkeiten, Erfahrung, Streckenkenntnis.

Blick vom Steuerstand über den gesamten containerbeladenen Koppelverband.
Abb. 11: Kapitänsblick. Bei Brückenunterquerungen heißt es kurz Kopf bzw. Steuerstand einziehen und vornehmlich mit Hilfsmitteln wie Radar, IENC, GNSS, Funk sowie Erfahrung und Streckenkenntnis fahren.

Insgesamt bleiben viele und intensive Eindrücke von der Reise (Abb. 12). Auffallend war vor allem die sehr heterogene Verteilung der Arbeitszeit über den Tag und die Woche, losgelöst von der für viele Menschen normalen Aufteilung in Werktage und freie Tage. Auch das weite Spektrum von hektisch-lauten zu ruhigen Situationen fasziniert. Wahrzunehmen waren auch ein Ehrgeiz der Binnenschifffahrt und gleichzeitig ein Druck auf diese, möglichst viel Ladung möglichst schnell zu transportieren – was unterstreicht, dass sich Bemühungen um eine reibungslose und effiziente Nutzbarkeit der Bundeswasserstraßen lohnen.

Abschließend geht mein Dank an die Mannschaft (Micha und Adrian) und die Partikuliersfamilie Jahn für die Möglichkeit, auf der M. S. Hanse mitfahren und viele Einblicke in das Geschäft der Frachtbinnenschifffahrt gewinnen zu können!

Karte mit dem Verlauf der Fahrt zwischen Hamburg nach Braunschweig, aufgeteilt in Tagesstrecken.
Abb. 12: Verlauf der gesamten Fahrt in farblich unterschiedenen Tagesstrecken und mit Markierung ausgewählter Stationen. Hintergrundkarte © basemap.de / BKG Nov 2022

Fürs Gegenlesen geht ein weiterer Dank an Lisa Scharf und Fabian Beimowski.

’Gnat’ together – W2 auf Stechmückenjagd

Am 23.09.2021 morgens traf sich das Referat W2 Flussbau für eine halbtägige Exkursion in Rappenwört (Abb. 1). Die Veranstaltung erfolgte im Rahmen der BAW „get together“, mit denen der persönliche Kontakt im Kollegium auch unter Pandemiebedingungen und nach einer home-office-lastigen Zeit wieder gepflegt werden konnte.

Abbildung 1: Die get-together-Gruppe am Ausgangspunkt der Exkursion.
Abb. 1: Die get-together-Gruppe am Ausgangspunkt der Exkursion.

Die Gruppe wurde von Dipl.-Biol. Harald Jonitz zu verschiedenen Standorten im Altarm- und Auenbereich geführt und dabei umfassend vor allem zur Biologie von Mücken sowie der Stechmückenbekämpfung durch die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e. V. (KABS) informiert. Themenbereiche des Vortrags und der Diskussionen waren beispielsweise die bevorzugten Habitate von Stechmücken (v. a. ephemere, stehende Gewässer für die Larven, Abb. 2), spezifische Fortpflanzungs- und Entwicklungszyklen (und die Kopplung an das z. B. im Jahr 2021 aus Mückenperspektive günstige Witterungsgeschehen), Erkennungsmerkmale und die (jeweils aktuell eher kleine) Rolle von Mücken in Nahrungsketten sowie bei der Übertragung von Krankheiten. Zudem wurden die Bekämpfungsmethoden im Wandel der Zeit sowie Möglichkeiten, selbst den lästigen Plagegeistern auf das Chitin zu rücken, thematisiert.

Abbildung 2: Im Bild ist eine große Anzahl von Mückenlarven zu sehen, die eine Pfütze in einer Abdeckplane als ideales Habitat für ihre Entwicklung nutzt.
Abb. 2: Eine Pfütze in einer Abdeckplane ist ein ideales Habitat für Mückenlarven.

Insgesamt wurde an diesem sonnig-frischen Vormittag wieder deutlich, dass selbst bei der Fokussierung auf einen relativ kleinen Teil eines Ökosystems die Prozesse und Abhängigkeiten im Detail sehr komplex sind – was ja auch das Arbeiten im, am und mit dem Fluss unverändert spannend gestaltet. Auch im Falle dieser Veranstaltung waren der Blick über den eigenen Fachhorizont hinaus sowie die kontroverse Diskussion also wieder lohnenswert.

Vielen Dank an Harald für die kurzweiligen Stunden, die weitreichenden und tiefgehenden Erklärungen sowie die interessanten Diskussionen – wir wünschen einen schönen und erfolgreichen Aufenthalt im südhemisphärischen Nordwinterquartier!

An der Entstehung dieses Beitrages haben Peter Servouse und Fabian Beimowski mitgewirkt. Fotos: Bernd Hentschel.

Auf den Grund gegangen: Zwei Einsätze des Taucherglockenschiffes „Carl Straat“ für die BAW

Das WSV-Taucherglockenschiff (TGS) „Carl Straat“ konnte in der zweiten Jahreshälfte 2020 wieder erfolgreich für BAW-Projekte eingesetzt werden: Im September wurden Vorversuche für eine innovative Methode des Geschiebe-Tracings am Oberrhein durchgeführt, und im November und Dezember erfolgte eine Kampagne zur Sohlprobennahme am Niederrhein. Im Folgenden wird ein kurzer Einblick in die Kampagnen gegeben.

Bei den Vorversuchen am Oberrhein wurden in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur – Wien Radiotelemetrie-Tracer in der Rheinsohle platziert, die Funksignale aussenden und deren Lage somit geortet werden kann [1, 2]. Die Tracer wurden in zwei Ausführungen getestet: 1) Sender ohne weitere Einhüllung, 2) Einbettung der Sender in einen „künstlichen Stein“, der insgesamt die Dichte und Größe von typischem Grobkies aufweist. Untersucht wurden nach der Tracer-Platzierung (Abb. 1) die maximale Ortungsdistanz sowie der Verlauf der Signalstärke abhängig von der Bauart (nicht umhüllt oder als künstliche Steine), Tiefe im Sediment, und Wassertiefe (Abb. 2).

Abb. 1: Einbringen von Tracern in die Rheinsohle.
Abb. 2: Ortung der Tracer vom Boot aus.

Die Vorversuche lieferten wertvolle Informationen bezüglich der Optimierung dieser innovativen Tracing-Methode für die Gegebenheiten am Oberrhein. Auf diese Weise erfasste Daten unterstützen beispielsweise bei der Bearbeitung von Fragestellungen der Morphodynamik (hier im Bereich der Geschiebezugabe Iffezheim und unterstrom), unter anderem zum Verständnis von Prozessen der Deckschichtbildung oder Sohlaufhöhung. Die Radiotelemetrie-Tracer vereinen dabei eine Reihe von Vorteilen in sich, wie z. B. eine hohe zeitliche und räumliche Auflösung der Messdaten, die Möglichkeit zur individuellen Nachverfolgung von Tracer-Steinen, eine hohe Wiederauffindbarkeit bei langer Lebensdauer und Laufzeit, sowie einen verhältnismäßig geringen personellen und technischen Aufwand.
Ein Video zur beschriebenen Kampagne am Oberrhein ist im Infozentrum Wasserbau bereitgestellt [3], eine Bilderserie kann auf Flickr eingesehen werden [4].

Im November und Dezember wurde über einen Zeitraum von vier Wochen die Rheinsohle von Zons bis Duisburg beprobt. Hintergrund ist der Bedarf an Datenreihen, die einerseits u. a. die WSV bei der Erfolgskontrolle der Geschiebezugabe Niederrhein unterstützen, und andererseits der BAW zur Validierung und Kalibrierung von Feststofftransportmodellen dienen. Im Bereich von Rh-km 720,0 bis 777,0 wurden je Kilometer an 3 – 5 Punkten entlang des Querprofils Schürfproben von der Deck- und Unterschicht genommen sowie eine Geschiebeansprache und eventuelle Besonderheiten fotografisch und schriftlich dokumentiert (Abb. 3). Auf den 57 km Strecke wurden insgesamt 248 Punkte angesteuert und beprobt (Abb. 4), wobei der relativ niedrige Wasserstand gerade im Bereich von Gleithängen und Buhnenfeldern bei manchen geplanten Probenpunkte die Anfahrt verhinderte. In der nächsten Stufe der Datenerhebung werden an der BAW die Sieblinien der Schürfproben ermittelt (Abb. 5).

Abb. 3: „’O Sohle mio“ bei Rh-km 724,2 (wg. Ankerverbots erfolgte die Probennahme an dieser Stelle nicht auf dem vollen Rh-km). (a) 233 m Abstand zum linken Hektometerstein, Gleithang am Ende einer Linkskrümmung; (b) 283 m Abstand zum linken Hektometerstein, etwa Fahrrinnenmitte; (c) 383 m Abstand zum linken Hektometerstein, Kolkverbau.

Auch wenn einzelne Abläufe solcher Kampagnen sich oft wiederholen und damit bald zur unspektakulären Routine werden, bleibt die Möglichkeit, in einer Taucherglocke auf der Rheinsohle zu stehen, etwas Besonderes: Der Weg zur Arbeit (Abb. 6), die Geräuschkulisse aus Druckluftzischen, Wasserrauschen, Motorbrummen, der Schleusungsvorgang, der sich anfühlt wie ein sehr schneller Sink- oder Steigflug mit sehr großem Höhenunterschied, die Spannung darauf, welche Objekte und Formen man nach dem Absetzen vorfindet und welche Prozesse an der Sohle erkennbar sind, das Rieseln des Geschiebetriebs, der von außen an die Glocke prasselt, das Knirschen und Knacken beim Aufsetzen der Glocke auf Kolkverbausteinen, das Drehen des TGS und der abgesetzten Glocke bei Begegnungsverkehr, und vieles mehr führen insgesamt zu einer außergewöhnlichen Erfahrung.

Abb. 4: Positionen der Schürfproben in den Düsseldörfer und Krefelder Bögen.
Rhein geschaufelt: Zahlreiche Schürfproben sind im Eimer.
Abb. 5: Zwischenergebnis der Schürfprobennahme.

Unser bester Dank für die tatkräftige Unterstützung bei Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Kampagnen geht an die Besatzung des TGS „Carl Straat“, die zudem eingebundenen WSV-Schiffe, die beteiligten Außenbezirke, und auch an viele Helfende der BAW!

Auch im Jahre 2021 soll es wieder BAW-Kampagnen in der Taucherglocke geben – dann allerdings auf Archimedes, dem Nachfolgeschiff des TGS „Carl Straat“.

Abb. 6: Abstieg durch die Röhre in die Glocke.

An der Entstehung dieses Beitrages haben Martin Struck und Regina Patzwahl mitgewirkt.

Quellen:
[1] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/esp.3338
[2] https://link.springer.com/article/10.1007/s00506-012-0035-5
[3] https://izw-campus.baw.de/goto.php?target=cat_2012&client_id=iliasclient
(siehe auch https://youtu.be/qXR5nlG5itU)
[4] https://www.flickr.com/photos/bundesanstalt_fuer_wasserbau/albums/72157716277074536
(eine erweiterte Bildauswahl bietet eine Suche nach „Straat“ auf https://izw-medienarchiv.baw.de/search)