Wasserbau Binnen

Die WeSBe fliegt – Webanwendung zur Schlitzpass-Bemessung geht online

Was hat ein „Insekt mit Rechtschreibfehler“ mit der BAW zu tun?

Im Referat W1 kümmern wir uns unter anderem um die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit an Bundeswasserstraßen. Zusammen mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), Referat U10, beraten wir die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) bei Planung und Bau von Fischauf- und Fischabstiegsanlagen und forschen an offenen Fragen. Ein weiteres Ziel ist es, der WSV Hilfsmittel an die Hand zu geben, die die Planung vereinfachen bzw. standardisieren. Und hier kommt unsere Webanwendung zur Schlitzpass-Bemessung – kurz WeSBe – ins Spiel.

Der Schlitzpass ist ein häufiger Bautyp für Fischaufstiegsanlagen. Als Variante des Beckenpasses kennzeichnet ihn ein vertikaler Schlitz in den Trennwänden zwischen den Becken, der über die gesamte Fließtiefe reicht. Grundprinzip ist, den Gesamthöhenunterschied an einem Wanderhindernis zwischen den einzelnen Becken stückweise zu überwinden. Schlitzpässe kommen bei Planungen an Bundeswasserstraßen oft zur Anwendung, da mit ihnen bei vergleichsweise geringem Platzbedarf auch höhere Gesamtfallhöhen überwunden werden können.

Im Merkblatt DWA-M 509 sind Empfehlungen zur Bemessung von Schlitzpässen und die dafür notwendigen hydraulischen Berechnungen aufgeführt. Bei der Bemessung werden unter anderem die Ober- und Unterwasserstände an der entsprechenden Stauanlage und die Fischarten, die den Schlitzpass später passieren sollen, berücksichtigt. Mit diesen Angaben werden zum Beispiel Beckenabmessungen, Sohlhöhen und die Beckenanzahl bzw. die Höhendifferenz zwischen den Becken festgelegt. Die Ermittlung zentraler hydraulischer Kenngrößen wie dem Betriebsabfluss erfolgt mit den im Merkblatt DWA-M 509 aufgeführten Berechnungsvorschriften.

Die Bemessungsempfehlungen und hydraulischen Berechnungen des Merkblatts DWA-M 509 wurden mit WeSBe in eine möglichst einfache und intuitive Webanwendung verpackt. Die Webanwendung führt Schritt für Schritt durch die Bemessung und die Berechnung. Bei der Eingabe werden, wenn möglich, Empfehlungen für die Festlegung der Kenngrößen aufgeführt. Bei Bedarf können zusätzliche Hilfetexte aufgerufen werden. Ein Ergebnisexport steht als PDF-Dokument und als Excel-Tabelle zur Verfügung.

WeSBe kann direkt über wesbe.baw.de erreicht werden und ist öffentlich zugänglich. Außerdem findet sich WeSBe im IZW-Campus. Dort gibt es auch weitere nützliche Infos zur ökologischen Durchgängigkeit – unter anderem ein Erklärvideo zur Funktionsweise von Schlitzpässen (https://izw-campus.baw.de/goto.php?target=cat_6233&client_id=iliasclient).

Wir danken allen, die bei der Entwicklung mitgearbeitet haben, vor allem dem Team der Biz-Factory GmbH und wünschen viel Spaß bei der Anwendung! Keine Angst, die WeSBe sticht nicht!

Numerische Strömungssimulation – jetzt auch mit DuMux

Haben Sie schon mal auf einer Brücke über einem Fluss gestanden und sich gefragt wie viele Badewannen voll Wasser unter Ihnen durchströmen, wie tief der Fluss ist oder wie schnell das Wasser strömt? An der BAW zählen wir zwar keine „Badewannen“, aber wir benötigen für viele unserer Aufgaben Informationen zu Wassertiefen und Strömungsgeschwindigkeiten, z. B. wenn es um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schifffahrt geht. Diese Informationen lassen sich oft nur mit Hilfe von Computersimulationen berechnen, dazu verwenden wir verschiedene Simulationssoftware und seit neuestem auch DuMux.

(www.dumux.org)

Woher kommt eigentlich DuMux und wie kommt es an die BAW?

Bei DuMux (www.dumux.org) handelt es sich um eine Open-Source-Software, die hauptsächlich an der Universität Stuttgart entwickelt wird. Vor ein paar Jahren haben mich die „Stuttgarter“ eher zufällig gefragt, ob wir „BAWler“ uns vorstellen könnten, DuMux an der BAW zur Simulation der Strömung in unseren Flüssen zu verwenden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade in einem Forschungsprojekt ein neuartiges numerisches Verfahren zur Lösung der tiefengemittelten zweidimensionalen Flachwassergleichungen entwickelt und so bot sich mit DuMux die perfekte Gelegenheit, dieses Verfahren in eine bestehende Simulationssoftware zu integrieren.

Zweidimensionales Strömungsfeld am Rhein bei Düsseldorf.

Ein großer Vorteil von DuMux ist, dass es extrem schnell ist und sich dadurch künftig deutlich größere Gebiete und längere Zeiträume simulieren lassen. Für die oben abgebildete, rund 11 Kilometer lange Rhein-Strecke bei Düsseldorf schafft es DuMux, ein ganzes Jahr in weniger als 60 Minuten auf den Hochleistungsrechnern der BAW zu simulieren. Damit ist DuMux deutlich schneller als die bisher an der BAW für diese Fragestellungen eingesetzte Simulationssoftware.

Aktuell arbeitet mein Kollege Martin Utz an einer Erweiterung für den Sedimenttransport. Ziel ist es, in der Zukunft neben der Strömung auch die langfristige Sohlentwicklung mit DuMux simulieren können. Da sich das Sediment an der Flusssohle nur sehr langsam bewegt, müssen hier besonders lange Zeiträume simuliert werden. Deswegen ist es essenziell, eine schnelle Simulationssoftware zu haben.

Was macht eine Open-Source-Software wie DuMux so attraktiv?

Die flussbaulichen Fragestellungen, die die BAW bearbeitet, sind enorm anspruchsvoll, nicht selten muss die Software entsprechend der Aufgabenstellung erweitert und angepasst werden. Eine fertige Software von der Stange ist für uns an der BAW deshalb keine Option.

Das Besondere an einer Open-Source-Software wie DuMux ist die große Entwicklergemeinschaft. Bei der Zusammenarbeit wird neben dem Quellcode automatisch auch Wissen und Knowhow miteinander geteilt. Und wie so oft gilt auch bei der Open-Source-Softwareentwicklung: Gemeinsam erreicht man deutlich mehr als alleine! DuMux selbst basiert auf der Open-Source-Toolbox DUNE (www.dune-project.org). DUNE bietet mit seinen zahlreichen Numerik-Modulen und darauf basierenden Softwareprojekten einen perfekten Unterbau für eine leistungsfähige Simulationssoftware wie DuMux.

Wie verwendet man eine Open-Source-Software wie DuMux im Alltag?

Um DuMux im Projektalltag möglichst einfach einsetzen können, wurde an der BAW die Anwendung dumux-shallowwater entwickelt. In Kombination mit einem Bausteinprinzip, bei dem sich Simulationen immer aus geometrischen Varianten und frei kombinierbaren Abflussszenarien zusammensetzen, kann der Simulationsablauf deutlich besser strukturiert und gleichzeitig automatisiert werden.

Mein Kollege Tilman Steinweg geht in seinem Forschungsprojekt sogar noch einen Schritt weiter. Mit der von ihm entwickelten zentralen Anwendung Aquarius können an der BAW zukünftig im Webbrowser nicht nur die Simulationsdaten zu Varianten und Szenarien verwaltet und organisiert werden, auch die Simulationen lassen sich bequem über die Weboberfläche auf den Hochleistungsrechnern der BAW starten.  

Bald Alltag an der BAW: Durchführung von Simulationen auf dem Hochleistungsrechner über die Weboberfläche von Aquarius.

„Stadt – Land – Fluss“ mal anders

Am 17. August waren zwölf Kinder im Alter von zehn bis vierzehn Jahren im Rahmen einer Exkursion der Ettlinger Kindersommer-Akademie zu Gast in der BAW. Dieses Ferienprogramm richtet sich speziell an wissbegierige Schüler, die v.a. zu naturwissenschaftlichen Themen mehr erfahren wollen.

Sowohl die Kids als auch ihre erwachsenen Begleiter waren von der Größe und Ausstattung des BAW-Geländes überrascht, von dem man normalerweise so gar nichts mitbekommt, auch wenn man schon mehrmals im gegenüberliegenden Klinikum zu Gast war!

Zunächst erklärte der Abteilungsleiter Wasserbau im Binnenbereich – Herr Prof. Dr.-Ing. Andreas Schmidt – in einem reich bebilderten Vortrag die Aufgaben der BAW: die Beratung und Unterstützung des Ministeriums und der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung beim Bau und Erhalt von Wehren, Schleusen, Brücken und Uferbereichen. Gerade die wirtschaftliche und ökologische Bedeutung der Binnenschifffahrt macht eine fundierte Forschung und Planung für die nächsten Generationen notwendig.

Anschließend konnte sich die Gruppe bei einer Führung durch die Hallen der BAW selbst ein Bild von den Versuchsanordnungen machen: Mitarbeiter der BAW erklärten den Schleusenversuchsstand (inkl. Größenvergleich mit einer Playmobil-Figur) und das riesige Rhein-Modell mit seiner maßstäblich nachgebauten, gebirgsähnlichen Sohle. Sogar Fische werden in einer anderen speziellen Rinne beobachtet: Die zusammen mit Biologen der BfG erarbeiteten Erkenntnisse sind Grundlagen für den Bau von Fischaufstiegsanlagen an den Bundeswasserstraßen. Der Höhepunkt und Abschluss der Führung war natürlich der Schiffsführungs-Simulator: die Kinder konnten eigenhändig mit dem Joystick ein Binnenschiff ums Deutsche Eck bei Koblenz steuern – gar nicht so einfach! Hier wird z.B. die Fahrdynamik von großen Güterschiffen erforscht, damit ihnen auch schwierige Manöver, z.B. die Einfahrt in eine enge Schleusenkammer, unfallfrei gelingen.

Schnell war dann das Ferienprogramm der Ettlinger Kindersommer-Akademie wieder zu Ende. Vielleicht ist ja bei dem einen oder anderen Besucher die Begeisterung für Themen des Wasserbaus hängengeblieben und wir sehen die Kinder in ein paar Jahren dann als Werksstudenten oder Ingenieure und wissenschaftliche Mitarbeiter wieder. Die BAW würde sich freuen!

Neues E-Learning Angebot Fischaufstiegsanlagen

Auf IZW Campus wurde ein neues E-Learning Angebot zum Thema Bemessung der Leitströmung von Fischaufstiegsanlagen freigegeben.

Die Referate W1 der BAW und U4 der Bundesanstalt für Gewässerkunde beraten die Wasserstraßen- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes bei fachlichen Themen rund um die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit. Die an Bundeswasserstraßen vorhandenen Wehre, Wasserkraftanlagen und Schleusen sind für Fische meist unüberwindbar und somit können sie ihre natürlichen Wanderbewegungen in den Gewässern nicht mehr duchführen. Eine Möglichkeit, den Fischaufstieg unter Beibehaltung der genannten Infrastruktur wieder zu ermöglichen, sind Fischaufstiegsanlagen (oder landläufig: Fischtreppen), mit denen eine Verbindung zwischen Unter- und Oberwasser geschaffen wird. Fischaufstiegsanlagen sind aufgrund des beschränkten zur Verfügung stehenden Platzes jedoch häufig relativ klein im Vergleich zur gesamten Staustufe. Daher muss der Einstieg durch eine geeignete Leitströmung angezeigt werden, um für Fische auffindbar zu sein.

Genau hierum geht es im E-Learning Angebot: die Bemessung einer ausreichend großen Leitströmung an Standorten mit Wasserkraftanlagen. Die fachlichen Grundlagen wurden bereits 2019 in einer BAWEmpfehlung sowie kürzlich in einer Reihe von Fachpublikationen (siehe BAWiki zur ökologischen Durchgängigkeit unter Publikationen) veröffentlicht. Im E-Learning Angebot wird der Inhalt der BAWEmpfehlung sowie zusätzliche Informationen in drei aufeinander aufbauenden Kapiteln vermittelt. Dazu dienen unter anderem interaktive Abbildungen, Lernvideos und Planungsbeispiele.

Interaktive Abbildungen
Lernvideos
Planungsbeispiele

Mit dem Angebot sollen WSV, Fachplaner und Interessierte weitere Hintergrundinformationen über die Bemessung erhalten, sowie in der Anwendung der Bemessungsempfehlung unterstützt werden. Ein Forum für Fragen und Antworten rundet das Angebot ab.

Verfasst von Patrick Heneka

Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter im Referat Wasserstraße und Umwelt (W1). Meine Arbeitsschwerpunkte sind u.a. die Beratung der WSV bei der Planung von Fischaufstiegsanlagen und die Durchführung von experimentellen Untersuchungen im Wasserbaulabor.

Sedimentäre Grenzerfahrungen – niederländische und deutsche Messschiffe im Einsatz für Methodenvergleiche

Anfang November 2021 fand im deutsch-niederländischen Grenzabschnitt des Rheins eine länderübergreifende Kampagne zum Vergleich von Sedimentmessmethoden statt. Die Kampagne ist Teil des über die Euregio-Rhein-Waal mit INTERREG-Mitteln geförderten Projektes Living-Lab Rhine (LILAR). Dieses ist zugleich Pilotprojekt der deutschen und niederländischen Partner der im Aufbau befindlichen europäischen Forschungsinfrastruktur DANUBIUS-RI. Das LILAR-Projekt strebt an, das gemeinsame Verständnis des Sedimentregimes im Rhein zu verbessern und somit ein nachhaltiges Sediment- und Flussmanagement zwischen Deutschland und den Niederlanden zu unterstützen. An dem Projekt sind neben der BAW auch die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein (WSA) und von niederländischer Seite Rijkswaterstaat sowie Deltares beteiligt. Zudem unterstützen zwei Masterandinnen der TU Delft und der TU Darmstadt das Projekt.

Während der Messkampagne wurden mit insgesamt fünf Schiffen (Abb. 1) – „Rheinland“, „Mercator“ und „Fluctus“ auf Seiten des WSA und „Conrad“ und „Flevomeer“ von Rijkswaterstaat – verschiedene Untersuchungen zum Transport von Schweb- und Geschiebefracht sowie ergänzend auch zu Mikroplastik durchgeführt. Hierbei wurden sowohl Messungen an zwei Flussquerschnitten vorgenommen, als auch die Bewegung des Sediments an der Flusssohle über einen definierten Flussabschnitt untersucht.

Abb. 1: Die Messschiffe „Rheinland“, „Conrad“, „Mercator“ und „Flevomeer“ (von links) während der Messkampagne am Niederrhein.

Zur Bestimmung des Schwebstoffgehaltes im Flussquerschnitt wurden Wasserproben an mehreren Punkten und aus mehreren Tiefen mit unterschiedlichen Methoden entnommen (Abb. 2). Diese Proben wurden anschließend gesiebt und gefiltert, je nach Methode vor Ort oder im Labor, und der Sedimentrückstand zur genauen Bestimmung der Sedimentkonzentration getrocknet und gewogen. Ein ganz ähnlicher Ansatz wurde bei der Beprobung von Mikroplastik verfolgt (Abb. 3). Ergänzend zur Schwebstoffbeprobung wurde an den gleichen Punkten mittels Aktivsonar-Messgeräten (ADCP und ADV), d. h. über Schallwellen-Reflektion an Schwebstoffpartikeln, der Anteil von Schwebstoffen im Wasser indirekt gemessen.

Abb. 2: Messvorrichtungen für Schwebfrachtmessungen. a) Messrahmen zur zeitgleichen Schwebstoff-Probennahme in verschiedenen Tiefen. b) Messflügel mit Pumpvorrichtung zur sequenziellen Schwebstoff-Probennahme in verschiedenen Tiefen.
Abb. 3: Mikroplastik-Probennahme in insgesamt 3 Tiefen (zu sehen ist die Probennahme an der Wasseroberfläche).

Für die Bestimmung des Geschiebetransportes wurden Proben von der Sohlenoberfläche mittels zwei Arten von Geschiebefängern gesammelt (Abb. 4). In beiden Fällen wurde bei Geschiebetrieb bewegtes Sediment mit einem Fangkorb aufgefangen, welches dann später im Labor gesiebt wurde, um die unterschiedlichen Anteile der Sedimentfraktionen zu bestimmen. Während der Probenahme zeichneten Kameras die Sedimentbewegungen an der Sohle auf. Indirekte Messungen des Geschiebetriebs fanden wiederum mithilfe von Aktivsonar-Messgeräten statt. Zusätzlich wurde die Höhenlage der Sohle mehrfach mittels Fächerecholot-Peilungen bestimmt, um Dünenbewegungen zu erkennen, die eine andere Art des Geschiebetransportes darstellen.

Abb. 4: Geschiebefänger für die Beprobung des Geschiebetriebs auf der Sohle. a) Deutsche Variante der BfG. b) Niederländische Variante.

Die gemeinsame Messkampagne lieferte aufschlussreiche Erkenntnisse bezüglich der unterschiedlichen Messmethoden der deutschen und niederländischen Partner. Neben der noch ausstehenden Quantifizierung der Unterschiede in den Messergebnissen fördern diese Erkenntnisse das Verständnis für Daten aus vergangenen und zukünftigen Messungen und machen diese nicht zuletzt bei der internationalen Zusammenarbeit besser interpretierbar. Außerdem können sie als Grundlage für einen möglichen zukünftigen Abgleich der Messmethoden und -ergebnisse dienen.

Ein Video zur beschriebenen Kampagne ist auf dem Youtube-Kanal der BAW verfügbar [1], eine Bilderserie kann auf Flickr eingesehen werden [2].

An der Entstehung dieses Beitrages hat Martin Hämmerle mitgewirkt. Fotos: BAW.

Quellen:

[1] https://www.youtube.com/watch?v=KFTVXz4BU-w

[2] https://www.flickr.com/photos/bundesanstalt_fuer_wasserbau/albums/72177720296043685

Messungen auf der Elbe

Zurzeit ist das Ingenieurbüro Schmid zum zweiten Mal in diesem Jahr im Auftrag der BAW auf der Binnenelbe unterwegs, um Strömungsdaten zu erheben. Die erste Messkampagne fand vom 16. bis 19. April 2021 zwischen El-km 217 und 420 (Wittenberg/Lutherstadt und Havelberg), die zweite vom 25. Mai bis 2. Juni zwischen El-km 217 und 517 (Hitzacker) statt. Der Schwerpunkt dieser Messungen liegt auf dem Erfassen von Durchflüssen, die außerhalb der Streichlinie in Seitenbereichen abgeführt werden. Bei den Abflussverhältnissen beider Kampagnen (zwischen mittlerem Niedrigwasser und Mittelwasser) betrifft das hauptsächlich die Strömung hinter Parallelwerken, durch Buhnenkerben und niedrig angeschlossen Seitenarme.

Diese Strömungssituationen entstanden immer dort, wo die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) meist im Rahmen der Unterhaltung in Abstimmung mit Landesbehörden eine Strukturverbesserung erzielen wollte. Mit solchen Maßnahmen wurden bereits wertvolle Erfahrungen bei der Aufwertung der Lebensräume für Pflanzen und Tieren gewonnen, die mit Blick auf die Erweiterung des Aufgabenspektrums der WSV immer größere Bedeutung erlangen. Diese Aufgabenänderung umfasst die Verpflichtung der WSV zur wasserwirtschaftlichen Unterhaltung als Eigentümer, Initiativen im Rahmen des „Blauen Bandes Deutschland“ und – ganz aktuell – überträgt das „Gesetz über den wasserwirtschaftlichen Ausbau zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele der Wasserrahmenrichtlinie“ der WSV Anteile des wasserwirtschaftlichen Ausbaus als hoheitliche Aufgabe. An der Elbe bietet darüber hinaus seit 2017 das „Gesamtkonzept Elbe“ einen Rahmen dafür, dass die unterschiedlichen Ansprüche an den Fluss gleichberechtigt miteinander abgewogen werden.

Um die Erfahrungen mit bisher umgesetzten Maßnahmen für das weitere Handeln nutzen zu können, sind Kontrollen erforderlich, ob und wie die Ziele der Maßnahmen erreicht wurden.  Hier interessieren die BAW die abiotischen Bedingungen wie Strömungsparameter und Veränderlichkeit der Sohlgestalt und des Feststofftransportes. Soll beispielsweise die Strömungsvielfalt vergrößert werden, ist aufzuzeigen, wie sich die Strömung nach der Maßnahme ausprägt. Dazu werden bei den Sondermessungen Fließgeschwindigkeit, Sohlgeometrie und Wasserspiegel flächenhaft gemessen. Dies geschah u. a. in einem Abschnitt bei El-km 217 (siehe Bild oben) bereits bei verschiedenen Abflüssen. Hier wurden vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe, Haus Dresden, bei der Unterhaltung von Buhnen z. B. folgende Maßnahmen umgesetzt:

  • In Kerben wurde die landseite Böschung nicht gesichert, sodass Uferabbrüche zugelassen werden.
  • Eine Insel, die Tieren Schutz vor Prädatoren bietet und die Strömung lenkt für besserer Schifffahrtsbedingungen, wurde geschaffen.
  • Eine Buhne wurde stromab statt stromauf ausgerichtet.

Im Bild unten sieht man die Darstellung der mittleren Fließgeschwindigkeiten aus einer flächenhaften Messung im Jahr 2017 bei leicht überströmten Buhnen. Hier sind die Strömung um die Insel und bei Buhnenkerben zu erkennen. 

Eine wichtige Angabe für die Charakterisierung der Abflusssituation ist der Durchflussanteil außerhalb der Streichlinie. Dieser kann aus flächenhaften, aber auch aus Messungen in geeigneten Profilen ermittelt werden. Bei der Messung in 2017 wurden beispielsweise bei einem Gesamtabfluss von 457 m³/s  Durchflüsse von 4 – 6 m³/s in den Kerben und hinter einer Insel gemessen. Mit den Tiefenanalysen der WSV kann parallel geprüft werden, ob die Seitendurchflüsse zu einer Verschlechterung der Schifffahrtsbedingungen führen. So erhofft man sich letztendlich Hinweise, welche Parameter (z. B. Durchflussanteil, Höhe der Sohle) für Seitendurchflüsse bei bestimmten Streckencharakteristika zugelassen werden können. Da man dazu die Wirkung über das maßgebende Abflussspektrum kennen muss, sind viele Messungen erforderlich. Bei großen Maßnahmen werden von der BAW auch Strömungsmodelle zur Prognose der Wirkungen genutzt. Für die Überprüfung der Prognosefähigkeit der Modelle sind die Ergebnisse der Naturuntersuchungen von großem Nutzen.

Verpasste Gelegenheit

Eine für den September 2020 organisierte gemeinsame Tagung  der Deutschen Wasserhistorischen Gesellschaft https://www.dwhg-ev.com mit und in der Bundesanstalt für Wasserbau musste abgesagt werden.

Wissen über das Gestern für Aufgaben von heute

Herstellen des Faschinenunterbaus einer Buhne, historisches Bildarchiv der BAW

Da die Organisation der Tagung weit fortgeschritten war, möchte ich hier auf einige der für die Tagung geplanten Themen hinweisen, da sie so auch später nicht stattfinden wird. Vielleicht stöbern Sie dann selbst ein wenig mit Hilfe der benannten Links und werden auch neugierig auf unsere nächsten Tagungen, die sich mit Sicherheit wieder spannenden Themen widmen werden. Vorbereitet war eine Tagung über die Transformationen des Wissens am Beispiel von Infrastrukturprojekten am Rhein seit Johann Georg Tulla (1770-1828) bis zu aktuellen Planungen. Der 250. Geburtstag des badischen Ingenieurs Johann Gottfried Tulla und der sich um seine „Zähmung“ des Rheins rankende Mythos war der Anlass, auf heutige wasserbauliche Infrastrukturprojekte zu blicken. Im Folgenden möchte ich einen Blick auf einige geplante Vorträge werfen.

Im Spiegel des Wassers – Eine transnationale Umweltgeschichte des Oberrheins  (1800-2000)

Prof. Dr. Christoph Bernhardt (Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung)

Die Gedanken von Prof. Bernhardt lassen sich in der gleichnamigen Veröffentlichung  der Umwelthistorische Forschungen, Band 5. (Köln Weimar Wien: Böhlau, 2016, 569 S.) nachvollziehen. „Das zentrale Anliegen des auf der Habilitationsschrift Bernhardts basierenden Buches ist es, Grundfragen zum Verhältnis von Umweltgeschichte und sozialer Raumentwicklung zu analysieren. Zu diesen Grundfragen zählen etwa die Entwicklung wasserbaulicher Techniken, kollektive Verhaltensmuster in den Rheindörfern, Legenden um Ingenieure, Budgetdebatten um Wasserbauvorhaben und Konflikte zwischen Städten und Regierungen. Das Buch untersucht über das in seiner Zeit gigantische Begradigungsunternehmen hinaus auch die späteren Großprojekte zum Umbau des Oberrheins, von der Regulierung des Flussbetts im frühen 20. Jahrhundert über die Wasserkraftgewinnung in den 1920er Jahren bis zur Auenrenaturierung des späten 20. Jahrhunderts. “ (https://leibniz-irs.de/aktuelles/meldungen/2016/08/im-spiegel-des-wassers-eine-transnationale-umweltgeschichte-des-oberrheins-1800-2000/)

Akkumulationsstrecke Iffezheim – Speyer

Dipl.-Ing.(FH) Peter Hörter (Fachstelle für Gewässerkunde bei der Generaldirektion  Wasserstraßen und Schifffahrt), Dr.-Ing. Andrea Wahrheit-Lensing  (BAW)

Der Streckenabschnitt des Oberrheins von Iffezheim bis Mainz ist seit dem frühen 19. Jahrhundert von Ausbaumaßnahmen betroffen. Auch wenn die Tullasche Korrektur, die Begradigung des Rheins, von 1817 bis 1876 datiert wird, sind viele weitere Maßnahmen bis in die heutige Zeit erfolgt, um zum einen den von Tulla geplanten Zustand herzustellen, zum anderen die Folgen daraus zu bewältigen. So nehmen auch der Bau und die Anpassung von Buhnen zur Niedrigwasserregelung eine große Zeitspanne ein, die von 1907 bis heute andauert. Die Überlagerung verschiedener Einflussfaktoren, wie z. B. die Entwicklung von Maßnahmenwirkungen oft über Jahrzehnte hinweg, die abflussabhängige Sohlenmorphologie, die im Laufe der Zeit veränderliche Abflussaufteilung zwischen Vorland und Hauptstrom im Fall ausufernder Abflüsse oder der sukzessiven Veränderung der Vorlandstrukturen, erschwert immer wieder die Unterhaltung in der Strecke und die Prognose der Streckenentwicklung. Nach dem Bau der Staustufen im Oberrhein wird seit 1978 eine Geschiebezugabe unterhalb von Iffezheim benötigt, um die Sohlenlage unterhalb der staugeregelten Strecke zu halten, da der natürliche Geschiebedurchtransport an dieser Stelle unterbrochen ist. Eine Übersicht über die Ausbauarbeiten kann Kompendium der Wasserstraßen- und Schifffahrtsdirektion Südwest, Mainz, 2007 mit vielen weiteren Informationen https://hdl.handle.net/20.500.11970/105062) entnommen werden.

Die nunmehr seit fast 200 Jahren andauernden flussbaulichen Maßnahmen lassen sich auch in den Veränderungen der Wasserstände am Pegel Maxau erkennen. In den ersten ca. 50 Jahren nach Beginn der Korrektionen führten diese zu Absunk, danach und bis heute zur Erhöhung der Wasserstände für Niedrig-, Mittel- und Hochwasser. Mit der Einrichtung der Projektgruppe „Regulierungsbereich Iffezheim-Mainz“ wurde seitens der WSV im Jahre 2017 ein auf längere Zeit ausgerichtetes Projekt gestartet, welches bis 2027 die erforderliche Datengrundlage für weiterführende Untersuchungen schaffen und damit die hydraulisch-morphologische Optimierung der Strecke von Iffezheim bis Mainz im Rahmen der Erfolgskontrolle Rhein ermöglichen soll. Die Vorgehensweise ist mit Blick auf zukünftige Entwicklungen ausgerichtet, Datendefizite aus der Vergangenheit lassen sich damit nicht ausräumen.

Veränderung der niedrig-, Mittel- und Hochwasser am Pegel Maxau zwischen 1872 und 2010

Über den Rhein vor den Toren von Karlsruhe gibt es einen nicht nur informativen sondern auch sehr ästhetischen Film https: //www.youtube.com/watch?v=UEqNfYc1EuI  Beinahe ersetzt der Film die geplante Exkursion um Karlsruhe – und die „Tomateninseln“ aus dem folgenden Beitrag sind ebenfalls zu sehen.

Neue Inseln, dynamische Ufer und durchströmte Rheinarme am Oberrhein

Dr. Jost Armbruster (Regierungspräsidium Karlsruhe)

Vor der Regulierung gab es am Rhein viele tausend Inseln, mehr oder weniger durchströmte Flussarme, Sand- und Kiesufer. Mit der Regulierung gingen diese verloren. Tier- und Pflanzenarten, die auf diese Flächen angewiesen sind, gingen im Bestand stark zurück. Wegen des Ausbaus der meisten Flüsse in Europa sind viele Arten inzwischen europaweit bedroht. Im Rahmen des Europäischen LIFE+-Projektes „Rheinauen bei Rastatt“ wurden am Oberrhein drei Inseln  neu geschaffen. Zwei Altrheinarme werden wieder stärker durchströmt und Uferstrecken aktiv der dynamischen Entwicklung überlassen. Informationen zum LIFE+ Projekt „Rheinauen bei Rastatt“ erhalten Sie unter www.rheinauen-rastatt.de

Über das Wirken Karlsruher Wasserbauers Theodor Rehbock am Rhein und seinen Nebenflüssen. Ein Überblick anhand der Überlieferung im Archiv des Karlsruher Instituts für Technologie

Dr. Klaus Nippert (Karlsruher Institut für Technologie  – KIT – Archiv)

Herr Nippert ist Leiter des KIT-Archivs,  das das Langzeitgedächtnis des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ist und in dem Informationen zur Geschichte der Einrichtungen sowie zu den Personen, die hier gelehrt, geforscht oder studiert haben, aufbewahrt werden (https://www.archiv.kit.edu/index.php). In der BAW ist Theodor Rehbock (1864-1950) insbesondere als Gründer des später nach ihm benannten Flussbaulabors in der TH Karlsruhe bekannt. Der im KIT-Archiv verwahrte Fotonachlass von Theodor Rehbock zeigt aber auch Aspekte seines Wirkens in Deutsch-Südwestafrika eingeordnet in den Archivführer  Deutsche Kolonialgeschichte. Auf diesen Teil der deutschen Geschichte wird gerade aktuell ein kritischer Blick gelenkt.

Lok im Rhein – Die Lok, die aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt wird

Prof. i. R. Dr. Bernhard Forkmann (TU Bergakademie Freiberg)

Vor über 160 Jahren versank im Rhein bei Germersheim die Dampflokomotive „Rhein“. Die Suche nach der 1852 versunkenen Keßler-Lok 205 ist unmittelbar verknüpft mit dem Wandel einer Flusslandschaft im Zuge des Jahrhundertprojekts Tullas zur Rektifizierung des Rheins. Dabei konnten und mussten sich geophysikalische Methoden bewähren. Auch Rückschläge wie der gescheiterte Bergungsversuch von 2018 ließen das Suchteam nicht aufgeben. Nach einer erfolgreichen Bergung wäre die Lok „Rhein“ immerhin die älteste erhaltene Dampflok Deutschlands. Die Lok wurde 1852 in Karlsruhe bei der „Maschinenbau-Gesellschaft Emil Keßler“ für die Düsseldorf – Elberfelder Eisenbahngesellschaft gebaut. Der für den Transport eingesetzte Segler „Stadt Coblenz“ geriet in der Nähe der Stadt Germersheim in einen schweren Sturm, die Ladung verrutschte und die Lok versank. Mehr Informationen finden Sie unter  https://www.bahnwelt.de/projekte/lok-rhein

Engpassanalyse am Jungferngrund

Dipl.-Ing. Thorsten Hüsener (BAW)

Ein Ausgangspunkt für die Organisation einer gemeinsamen Tagung von DWhG und BAW in Karlsruhe, war das Interesse an einem gerade in einer großen Wasserbauhalle betriebenen Modell des Rheins im Bereich des Jungferngrunds. Das Modell ist Teil einer Untersuchung, mit dem die BAW das Projekt „Abladeoptimierung Mittelrhein“ der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) unterstützt. Das lang anhaltende Niedrigwasser im Jahr 2018 mit der damit einhergehenden Einschränkung der Rheinschifffahrt hatte die Bedeutung einer Entschärfung der Tiefenengpässe zwischen Mainz und St. Goar verdeutlicht. Einen ausführlichen Bericht zu den verschiedenen Untersuchungen der BAW findet man unter https://izw.baw.de/publikationen/geschaeftsberichte/0/BAW_Geschaeftsbericht_2018_web.pdf

Für die hydraulisch-morphodynamischen Untersuchungen wurde ein hybrider Modellierungsansatz gewählt, bestehend aus einem dreidimensionalen numerischen Strömungsmodell und einem gegenständlichen Geschiebetransportmodell mit teilbeweglicher Sohle. Das gegenständliche Modell (Längenmaßstab 1:60, Höhenmaßstab 1:50) bildet die Strecke bei Oberwesel, Rhein-km 549,0 bis 553,4 ab und erstreckt sich im Labor über insgesamt 85 m mit allen Ein- und Auslaufbauwerken. Die stark zerklüftete Felssohle im Untersuchungsgebiet hat einen signifikanten Einfluss auf die hydraulische Rauheitswirkung und die morphologischen Prozesse. Um die hochaufgelösten Sohldaten in Felsbereichen im gegenständlichen Modell zu berücksichtigen, wurde ein neues Herstellungsverfahren unter der Verwendung von CNC-gefrästen Formbauteilen entwickelt. Die Bereiche der Sohle, die eine Auflage aus Sand und Kies aufweisen,  wurden mit verschiedenen Kunststoffgranulaten unterschiedlicher Dichte aufgebaut, um die verschiedenen Geschiebefraktionen nachzubilden.

Modell mit Felsbereichen und Kiesbank. Rote Sedimentablagerungen entsprechen einem mittleren Kies, weiße einem Grobkies

Lebhafter Austausch beim BAWWorkshop OpenFOAM® in Hydraulic Engineering

„Der Fortschritt lebt vom Austausch des Wissens.“  Albert Einstein

Ganz in diesem Sinne organisierte das Kompetenzfeld „Kleinskalige Strömungsmodellierung” der Abteilung Wasserbau im Binnenbereich einen englischsprachigen BAWWorkshop zum Thema „OpenFOAM® in Hydraulic Engineering”.

An der BAW wird die Open Source Toolbox OpenFOAM® als primäres CFD-Werkzeug für wasserbauliche Fragestellungen eingesetzt. Da die Toolbox stetig weiterentwickelt wird, ist es für uns als Anwenderinnen und Anwender essentiell, uns ständig über die neusten Entwicklungen zu informieren und uns mit anderen Entwickler/innen und Nutzer/innen auszutauschen.

Am 21./22. November 2018 trafen sich OpenFOAM® Entwickler/innen und Anwender/innen in der BAW, um ihr Wissen und ihre Erfahrungen im Bereich der numerischen Strömungsmodellierung im Wasserbau zu teilen. In den Präsentationen mit anschließender Diskussion wurden Anwendungsbeispiele, neuste Forschungsergebnisse und Entwicklungen sowie Tipps für Nutzer/innen und Entwickler/innen vorgestellt.

Für den Workshop konnten wir Prof. Jasak (University of Zagreb), einen der Hauptenwickler des foam-extend Release, als Vortragsgast gewinnen. Außerdem präsentierten Niels Jacobsen (Deltares), ein OpenFOAM Entwickler im Bereich Wellensimulation, Johan Rønby (Aalbourg University), OpenFOAM® Experte im Bereich Freispiegelströmungen und Željko Tuković (University of Zagreb), Experte für Fluid-Struktur-Kopplung ihre neusten Entwicklungen. Der Workshop war also eine schöne Gelegenheit, die VIPs des OpenFOAM® Universums, die man von ihren zahlreichen Veröffentlichungen, Code-Kommentaren und Foren-Posts kennt, persönlich zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen. Des Weiteren lockte der Workshop Kolleginnen und Kollegen von zahlreichen deutschen Wasserbauinstituten und von Ingenieurbüros in die BAW.

Das Themenfeld der Vorträge reichte von der Modellierung von Wellen, Wehranlagen und Schleusenfüllprozessen, über die Simulation der Lockströmung von Fischaufstiegsanlagen, bis zur Methodik für Fluid-Struktur Interaktion. Die vorgestellten Inhalte boten reichlich Stoff für Diskussionen. Eine Hall of Fame mit den schönsten Screenshots von CFD-Projekten der Teilnehmenden gaben weitere Anstöße für anregende Gespräche in den Kaffeepausen. Durch die Offenheit der Teilnehmenden und die begrenzte Teilnehmerzahl war der Workshop sehr kommunikativ. Das positive Feedback der Teilnehmenden zeigt, dass sich der Aufwand gelohnt hat.

Die Book of Abstracts zu den Vorträgen sind demnächst im Wasserbau Repository HENRY unter https://henry.baw.de verfügbar.

Verfasst von Lydia Schulze

Oh, wie schön ist Panama.

Nein, das ist nicht die Geschichte vom kleinen Tiger und dem kleinen Bär, die nach Panama reisen, weil sie eines Tages eine leere Holzkiste mit der Aufschrift „Panama“ aus dem Fluss ziehen, die nach Bananen riecht. Worauf der kleine Bär beschließt, dass Panama das Land seiner Träume ist. Nein, es war nicht der Duft von Bananen, der uns nach Panama lockte, sondern der Duft vom 34. Weltkongress von PIANC, eine der ältesten technisch-wissenschaftlichen Vereinigungen im Bereich Schifffahrt, Häfen und Wasserstraßen. Dieser Kongress fand vom 7. bis 11. Mai in Panama City statt, in unmittelbarer Nähe des Panamakanals, der nach dem Suezkanal, wichtigsten Wasserstraße der Welt.

Die Franzosen hatten sich schon an dem Kanal versucht, als Panama noch zu Kolumbien gehörte. Ferdinand de Lesseps wurde 1880 beauftragt nach dem er bereits erfolgreich den Suezkanal gebaut hatte. Doch Lesseps scheiterte. Malaria, Gelbfieber und das tropische Klima rafften seine Arbeiter dahin. Am Ende kostete der Panamakanal fast 22.000 Menschen das Leben. Ferdinand de Lesseps wollte den Kanal (wie in Ägypten) ohne Schleusen bauen. Als das nicht funktionierte, beauftragte er Gustave Eiffel mit der Planung von Schleusen, doch da war es schon zu spät. Die Kosten für den Kanal waren explodiert und das Unternehmen ging pleite. Beruhigend für die jungen Wasserbauingenieure ist an dieser Geschichte, dass man Ferdinand de Lesseps trotz seinem grandiosen Misserfolg ein Denkmal in Panama City errichtet hat. Also, Mut zum Fehler! Daraus wird man/frau nicht nur klug, sondern man/frau bekommt unter Umständen auch ein Denkmal.

Nach der Pleite von Lesseps kam Theodor Roosevelt, kaufte die französische Konkursmasse auf und verhandelte mit Kolumbien über eine Wasserstraße. Da die Gespräche nur schleppend voran kamen, unterstützte Roosevelt eine Revolution, der souveräne Kleinstaat Panama wurde ausgerufen und von den Amerikanern flugs anerkannt. In einem Vertrag wurde den Amerikanern auf unbegrenzte Zeit die Souveränität über einen 15 km breiten Streifen quer durch das Land zugesichert. Ein guter Deal. Denn mit dem Kanal sollte sich nicht nur der Seeweg von San Francisco nach New York um 15.000 km verkürzen. Panama sollte sich auch für die Amerikaner als ein wichtiger Militärstützpunkt entwickeln.

Dem US Corps of Engineers gelang es die Malaria einzudämmen und den Einschnitt durch die Basaltberge, den sogenannten Culebra Cut, zu überwinden. Einerseits durch Abtrag, anderseits durch den Aufstau des Gatúnsees. Der Höhenunterschied von 26 m erforderte aber auch den Bau von je drei Doppelschleusen. Am 15. August 1914 fuhr der Dampfer SS Ancón als erstes Schiff in knapp zehn Stunden durch die etwa 80 km lange Wasserstraße. Von Panama City im Pazifik bis nach Colón im Atlantik. Im Jahre 1999 gaben die USA schließlich den Kanal zurück, der Panama heute dank der Einnahmen des Kanals zu den reichsten Ländern in Lateinamerika machte.

Soviel zum Hintergrund des Veranstaltungsortes. Was gibt es von der Konferenz zu berichten? Bereits am Sonntag fanden erste Sitzungen der verschiedenen PIANC Kommissionen statt. Um 18 Uhr wurden die Teilnehmer im Rahmen einer Welcome Reception begrüßt, bevor die Veranstaltung am nächsten Tag feierlich vom PIANC-Präsidenten Geoffroy Caude eröffnet wurde. Mehr als 650 Teilnehmer lauschten den Keynotes. Eine Keynote befasste sich dabei mit der Rolle des Panamakanals im internationalen Güterverkehr. So erfuhren die Teilnehmer, dass der Hauptnutzer des Kanals mit Abstand die USA ist, die so ihre Waren von der Ost- an die Westküste bringt und umgekehrt. Dahinter sind China, Kolumbien, Japan und Südkorea weitere große „Kunden“. Interessant ist auch, wie der Suezkanal und der Panamakanal konkurrieren. Da der Suezkanal zeitweise die Gebühren um 65% gesenkt hat, haben einige Reedereien sogar den längeren Weg über den indischen Ozean und das Mittelmeer vorgezogen.

Bis Donnerstag jagte dann, in sechs parallelen Sessions, ein Vortrag den anderen. Die BAW leistete mit insgesamt sieben Vorträgen ihren Beitrag zum Programm, das insgesamt sehr breit gefächert war. Neben „Inland Navigation“ gab es Vorträge zu den Themen „Ports“, „Marinas“, „Dredging“, „Environment“  sowie „Logistics und Infrastructure“. Zahlreiche Vorträge befassten sich mit der Erweiterung des Panamakanals, die ursprünglich zum 100. Geburtstag des Kanals abgeschlossen sein sollte. Bei den Arbeiten gab es aber technische Probleme, so dass das erste Schiff der Postpanamax-Klasse erst am 26. Juni 2016, also zwei Jahre später als geplant, die neuen Schleusen passieren konnte. Neben dem fachlichen Input bot sich in den Pausen der Konferenz die Gelegenheit, bestehende Kontakte zu pflegen, neue Kontakte zu knüpfen und interessante Fachgespräche zu führen.

Zum obligatorischen Konferenzdinner wurde zum Unglück der mehr als 650 Teilnehmer (und vermutlich der Veranstalter) der chinesische Botschafter in Panama eingeladen. Der Botschafter sprach in fließendem Spanisch mit englischer Übersetzung. Das alleine verdoppelte schon die Redezeit. Nach 20 min wurden die Gäste unruhig, nach 40 min fand die Exzellenz immer noch kein Ende. Endlich, endlich kam der Botschafter zum Schluss und bedankte sich artig unter tosendem Applaus (wahrscheinlich waren alle dankbar, dass die Rede beendet und das Buffet endlich eröffnet war).

Am Donnerstag wurde eine Exkursion zu den alten Miraflores-Schleusen auf der pazifischen Seite angeboten. Zwei direkt aufeinanderfolgende, etwa 33,5 m breite und 327,6 m lange, Schleusenkammern überwinden hier, je nach Tide, einen Höhenunterschied zwischen 13 und 20 m. Die Schiffe werden über beidseitig fahrende Treidelloks in die Schleusenkammern gezogen und in ihrer Lage stabilisiert. Dabei können die Loks sogar die 45 Grad steilen Rampen zwischen den Schleusenkammern überwinden. Beeindruckend ist die Koordination der 4 bis 8 Loks durch den Lotsen für eine sichere (und hoffentlich berührungsfreie) Passage der Schiffe.

Im Gegensatz dazu werden die Schiffe in den neuen Schleusen mit Tugboats in die Kammern gezogen und auf Kurs gehalten. Die 4.400 PS starken Kraftprotze begleiten die Schiffe nicht nur durch die Schleusen, sondern teilweise auch durch die Kanalabschnitte mit engen Kurvenradien. Diese neuen Schleusen bekommen wir bei einer Exkursion am Freitag zu sehen. Mit einem historischen Zug der Panama Canal Railway Company werden die Teilnehmer nach Colón gefahren, um dort die Gatún-Schleusen zu besichtigen. Bei der Erweiterung wurden nämlich sowohl auf der atlantischen als auch auf der pazifischen Seite neue, dreistufige Schleusentreppen gebaut, deren Kammern je 55 m breit und 427 m lang sind. Im Gegensatz zu den alten Schleusen wurden diese aber als Sparschleusen mit je drei Sparbecken pro Kammer ausgelegt.

Es ist beindruckend, die Schiffe auf dem Gatúnsee zu sehen, die auf die Einfahrt in die neuen Schleusen warten. Mehr als 14.000 Container fassen die schwimmenden Riesenlager und unsere Binnenschiffe, mit denen wir uns täglich beschäftigen, werden im Vergleich dazu immer putziger. Jährlich fahren rund 15.000 Schiffe durch die Passage. Panama soll mit der Kanalgebühr ungefähr 8% seines Bruttoinlandproduktes verdienen. Das ist großer, wirklich sehr großer Verkehrswasserbau hier in Panama. Ein perfekter Rahmen für den 34. Schifffahrtskongress von PIANC im Land der Träume vom kleinen Tiger und dem kleinen Bär.

Verfasst von Michael Gebhardt

Ich bin seit 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Wasserbau im Binnenbereich und beschäftige mich vorwiegend mit hydraulischen Fragestellungen an Wasserbauwerken.

Marathonläufer oder Couch-Potato?

Im Zweijahresrhythmus finden BAW/BfG-Kolloquien zur ökologischen Durchgängigkeit statt. In diesem Jahr trafen sich ca. 150 Teilnehmer aus WSV, von Landesbehörden, Ingenieurbüros, Hochschulen und Universitäten sowie aus der (Energie-)Wirtschaft in der BfG in Koblenz. Und nein: es wurde nicht über die sportlichen Fähigkeiten der Teilnehmer diskutiert! Grundthema des Kolloquiums war die Standardisierung von Fischaufstiegsanlagen, sowie Notwendigkeit, Möglichkeiten und Grenzen dieser Standardisierung.

Die Vorträge reichten von der Definition eines „Standards“ als Wort über den Weg zur Festlegung von Standards bis hin zu verschiedenen Arbeitsergebnissen im Bereich Standardisierung, sowohl als nationale oder internationale Regelwerke als auch als Planungsempfehlungen. Die Zuhörer erfuhren, dass sich Standards auf ganz verschiedene Bereiche beziehen können: Prozessstandards, Bemessungsstandards, Bauteilstandards und auch Standards für die Qualitätssicherung – entweder für einzelne Verfahren bzw. Messmethoden, Messdaten oder für die eingesetzten Messwerkzeuge. Durch neue Erkenntnisse können und müssen sich  Standards weiter entwickeln. In einem aufwändigen Prozess fließen diese ggf. in entsprechende Veröffentlichungen wie Regelwerke, Merkblätter o.ä. ein. Durch die Notwendigkeit die EU-Wasserrahmenrichtlinie zügig umzusetzen und die gleichzeitigen Wissensdefizite erfolgen Umsetzungsmaßnahmen (Bau von Fischauf- und Fischabstiegsanlagen) und entsprechende Forschung in parallelen Prozessen, die sich gegenseitig befruchten.

Der Blick über den Tellerrand hinaus wurde insbesondere durch die Vorträge internationaler Experten ermöglicht. Und da kommen dann die körperlichen Wanderfähigkeiten der Fische ins Spiel. Prof. Tony Farrell von der University of British Columbia in Kanada stellte seine Erfahrungen von den verschiedenen Sockeye-Lachs-Populationen am Fraser-River vor. Selbst innerhalb dieser Art fand er Marathonläufer und Couch-Potatoes. Nach Prof. Farrells Überzeugung haben sich durch die unterschiedlich langen Wege der Populationsgruppen zu ihren Laichgründen unterschiedliche Fähigkeiten ausgebildet, sodass ein Sockeye-Lachs, der aus einem der mündungsnäheren Laichgebiete stammt eine geringere Leistungsfähigkeit aufweist als ein Sockeye-Lachs, der mehrere hundert Kilometer weiter schwimmen muss um seine Laichgründe zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund und der Anforderung nicht nur einer Fischart, sondern möglichst allen Arten der ursprünglichen lokalen Fischzönose Wanderungen zu ermöglichen, zeigen sich die Grenzen der Standardisierung. Umgekehrt lassen sich aber ohne Standardisierung kaum die Erwartungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie an eine schnelle Umsetzung der ökologischen Durchgängigkeit erfüllen. In diesem Spannungsfeld befinden sich Planung, Forschung und Entwicklung und letztlich auch die Qualitätssicherung im Bereich ökologische Durchgängigkeit. Damit ergibt sich auch immer wieder die Notwendigkeit verfügbare Standards am individuellen Standort zu hinterfragen. In Analogie zum Sport: Sowohl die Fische als auch Planer und Entwickler von Fischwanderanlagen brauchen Zähigkeit, Energie, Durchhaltevermögen und manchmal auch Mut, um ihr Ziel zu erreichen.

Verfasst von Anne Kampker

Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Wasserbau im Binnenbereich. Ich berate die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung bei der Planung von Fischaufstiegsanlagen.