HN-Simulation

Numerische Strömungssimulation – jetzt auch mit DuMux

Haben Sie schon mal auf einer Brücke über einem Fluss gestanden und sich gefragt wie viele Badewannen voll Wasser unter Ihnen durchströmen, wie tief der Fluss ist oder wie schnell das Wasser strömt? An der BAW zählen wir zwar keine „Badewannen“, aber wir benötigen für viele unserer Aufgaben Informationen zu Wassertiefen und Strömungsgeschwindigkeiten, z. B. wenn es um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schifffahrt geht. Diese Informationen lassen sich oft nur mit Hilfe von Computersimulationen berechnen, dazu verwenden wir verschiedene Simulationssoftware und seit neuestem auch DuMux.

(www.dumux.org)

Woher kommt eigentlich DuMux und wie kommt es an die BAW?

Bei DuMux (www.dumux.org) handelt es sich um eine Open-Source-Software, die hauptsächlich an der Universität Stuttgart entwickelt wird. Vor ein paar Jahren haben mich die „Stuttgarter“ eher zufällig gefragt, ob wir „BAWler“ uns vorstellen könnten, DuMux an der BAW zur Simulation der Strömung in unseren Flüssen zu verwenden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade in einem Forschungsprojekt ein neuartiges numerisches Verfahren zur Lösung der tiefengemittelten zweidimensionalen Flachwassergleichungen entwickelt und so bot sich mit DuMux die perfekte Gelegenheit, dieses Verfahren in eine bestehende Simulationssoftware zu integrieren.

Zweidimensionales Strömungsfeld am Rhein bei Düsseldorf.

Ein großer Vorteil von DuMux ist, dass es extrem schnell ist und sich dadurch künftig deutlich größere Gebiete und längere Zeiträume simulieren lassen. Für die oben abgebildete, rund 11 Kilometer lange Rhein-Strecke bei Düsseldorf schafft es DuMux, ein ganzes Jahr in weniger als 60 Minuten auf den Hochleistungsrechnern der BAW zu simulieren. Damit ist DuMux deutlich schneller als die bisher an der BAW für diese Fragestellungen eingesetzte Simulationssoftware.

Aktuell arbeitet mein Kollege Martin Utz an einer Erweiterung für den Sedimenttransport. Ziel ist es, in der Zukunft neben der Strömung auch die langfristige Sohlentwicklung mit DuMux simulieren können. Da sich das Sediment an der Flusssohle nur sehr langsam bewegt, müssen hier besonders lange Zeiträume simuliert werden. Deswegen ist es essenziell, eine schnelle Simulationssoftware zu haben.

Was macht eine Open-Source-Software wie DuMux so attraktiv?

Die flussbaulichen Fragestellungen, die die BAW bearbeitet, sind enorm anspruchsvoll, nicht selten muss die Software entsprechend der Aufgabenstellung erweitert und angepasst werden. Eine fertige Software von der Stange ist für uns an der BAW deshalb keine Option.

Das Besondere an einer Open-Source-Software wie DuMux ist die große Entwicklergemeinschaft. Bei der Zusammenarbeit wird neben dem Quellcode automatisch auch Wissen und Knowhow miteinander geteilt. Und wie so oft gilt auch bei der Open-Source-Softwareentwicklung: Gemeinsam erreicht man deutlich mehr als alleine! DuMux selbst basiert auf der Open-Source-Toolbox DUNE (www.dune-project.org). DUNE bietet mit seinen zahlreichen Numerik-Modulen und darauf basierenden Softwareprojekten einen perfekten Unterbau für eine leistungsfähige Simulationssoftware wie DuMux.

Wie verwendet man eine Open-Source-Software wie DuMux im Alltag?

Um DuMux im Projektalltag möglichst einfach einsetzen können, wurde an der BAW die Anwendung dumux-shallowwater entwickelt. In Kombination mit einem Bausteinprinzip, bei dem sich Simulationen immer aus geometrischen Varianten und frei kombinierbaren Abflussszenarien zusammensetzen, kann der Simulationsablauf deutlich besser strukturiert und gleichzeitig automatisiert werden.

Mein Kollege Tilman Steinweg geht in seinem Forschungsprojekt sogar noch einen Schritt weiter. Mit der von ihm entwickelten zentralen Anwendung Aquarius können an der BAW zukünftig im Webbrowser nicht nur die Simulationsdaten zu Varianten und Szenarien verwaltet und organisiert werden, auch die Simulationen lassen sich bequem über die Weboberfläche auf den Hochleistungsrechnern der BAW starten.  

Bald Alltag an der BAW: Durchführung von Simulationen auf dem Hochleistungsrechner über die Weboberfläche von Aquarius.

BiSiGeMi

Das Projekt „BiSiGeMi“ wird im Rahmen der Förderrichtlinie Modernitätsfonds („mFUND“) mit insgesamt 78.995,00 Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) für 18 Monate gefördert (Förderlinie 1) und unter Leitung der  smile consult GmbH sowie Mitwirkung der Bundesanstalt für Wasserbau seit dem 01.10.2020 bearbeitet.

Veranlassung:

In der BAW am Standort Hamburg liegen umfangreiche und mehrjährige synoptische Ergebnisdatensätze aus hydrodynamisch-numerischen (HN)-Simulationsmodellen (z. B.: EasyGSH-DB http://mdi-de.baw.de/easygsh/index.html) vor. In der Regel wurden diese auf unstrukturierten Gebietszerlegungen und in hoher zeitlicher Auflösung erzeugt. Für die anwendungs­orien­tierte und nutzerfreundliche Bereitstellung dieser Daten im Sinne der Open-Data-Strategie des Bundes soll eine geeignete Softwareinfrastruktur, die einen transparenten Zugriff ermöglicht, entwickelt und erprobt werden.

Ziel:

Ziel des Vorhabens ist die Schaffung und prototypische Inbetriebnahme einer Big-Simu­lation- and Geodata-Middleware für unstrukturierte zeitvariante HN-Simulations­ergeb­nisse.                                                                                           

Hierzu werden folgende Schwerpunkte bearbeitet bzw. Teilziele verfolgt:

  • Entwurf und Implementierung einer performanten und transparenten daten­bank­basierten Verwaltung für große unstrukturierte zeitvariante HN-Simu­la­tions­­ergebnisse
  • Strukturierung und Dokumentation der HN-Simulation mit projektbezogenen Metadaten
  • Entwurf und Implementierung performanter orts- und zeitselektiver Zugriffsmechanismen und Interpolationen der Middleware
  • Testweiser Betrieb der Big-Simulation- and Geodata-Middleware bei der BAW am Standort Hamburg

Vorarbeiten:

BiSiGeMi kann bereits zum Projektstart auf eine umfangreiche und synoptische Simu­la­tions­datenbasis über einen Zeitraum von 20 Jahren und mit einem Datenvolumen von knapp 80 TB aus dem mFUND-Verbundprojekt „EasyGSH-DB“ zurück­greifen. Durch eine Rasterung der 10-minütigen Simulationsergebnisse auf Basis der unstrukturierten Be­rechnungsnetze auf ein 1×1-km-Raster in 20-minütigem Intervall wurden Dateigrößen von rd. 25 GB erzielt (siehe Abbildung 1). Diese reproduzieren aber die komplexen bathymetrischen und hydrodynamischen Verhältnisse im Küstennahbereich und in den Ästuarmündungen nur eingeschränkt.

Abbildung 1: Analyse der Kennwerte des Wasserstandes als Produkt

Eingesetzte Methoden:

Der Einsatz von HN-Simulationsmodellen (für Tide, Seegang und Transport) beruht der­zeit stark auf unstrukturierten numerischen Verfahren (UnTRIM², TELEMAC). Die so erzeugten Daten liegen in unstrukturierter Form vor, für die es keine Standard­lö­sun­gen zur Datenbereitstellung gibt.

Die zu entwickelnde prototypische Middleware wird Möglichkeiten eröffnen, auf diese Datenbasis von Simulationsergebnissen in ihrer hohen zeitlichen und räumlichen Auf­lösung transparent zugreifen und diese performant nutzen zu können.

Sowohl die Simulationsdaten als auch die Methodenbank sowie die verknüpfende Middleware werden bei der BAW gehostet und durch die Schaffung geeigneter Web-Schnittstellen in nationale und europäische Geodateninfrastrukturen sowie in die mCLOUD (https://www.mcloud.de/) eingebunden.

Nutzung – Mehrwert:

Der generische und anwenderfreundliche Zugriff auf die originalen unstrukturierten HN-Simulationsergebnisse ist derzeit aufgrund der Menge und Struktur der Daten mit Standardlösungen nicht möglich; diese Simulationsergebnisse können in der Regel nur von den Mitarbeiter*innen der BAW genutzt werden. Als Übergangs­lösung für die Ver­öffent­lichung in „EasyGSH-DB“ wurden diese auf ein 1×1-km-Raster übertragen und mit einem größeren Zeitschritt (20 Minuten) in eine ca. 25 GB große NetCDF-Datei gewan­delt.

Die zugrundeliegenden unstrukturierten Berechnungsnetze haben im Bereich der Rinnen Auflösungen von ca. 250 m und in den tieferen Bereichen der Deutschen Bucht Kantenlängen von ca. 4 km. Durch die 1×1-km-Rasterung wird beispielsweise in der inne­ren Deutschen Bucht eine höhere Genauigkeit „vorgegaukelt“ als berechnet wurde und in den interessanten Bereichen der Watten und Tiderinnen gehen Informationen verloren (siehe Abbildung 2). Es wäre ein großer Zugewinn, wenn die Nutzer trans­pa­rent, entsprechend ihrer Fragestellungen, direkt lesend auf diese Simulationsdaten zu­greifen könnten. Beispielsweise lassen sich für vorgegebene Polygonknoten Zeitreihen von gewünschten hydrodynamischen Kenngrößen exportieren, um mit diesen als Rand­werte eigene Detail­modelle betreiben zu können.

Abbildung 2: Rasterung von unstrukturierten Dreiecksgitternetzen

Mit dem Aufbau und dem testweisen Betrieb der Big-Simu­la­tion- and Geodata-Middle­ware bei der BAW wird die Machbarkeit des Ansatzes gezeigt, der einen Beitrag zur Digi­ta­li­sie­rung der Tätigkeiten der BAW im Rahmen von wasserbaulichen Planungs­auf­ga­ben liefert. Die aufzubauende Softwareinfrastruktur wird so flexibel umgesetzt, dass auch anders strukturierte Simulationsdaten zukünftig hier integriert werden können. Die Praxistauglichkeit u. a. für die WSV soll auf der Basis der 20-jährigen synoptischen Simulationsdaten aus „EasyGSH-DB“ und an den Anwendungsszenarien zur Zeitreihen-extraktion für Schiffsführungssimulatoren sowie zur Datenbereitstellung von Randwerten für HN-Modellen aufgezeigt werden (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Nutzung der Zeitreihen von Wasserstand und Strömungsgeschwindigkeit für Schiffsführungssimulationen und zur Randsteuerung von HN-Modellen