Iffezheim

Forschungsrendezvous 2023 in Karlsruhe

Wenn JuWis die Sache in die Hand nehmen

„Von Forschenden für Forschende“ – so lautet der Leitsatz des Forschungsrendezvous der BAW und der beschreibt bereits sehr gut, worum es bei diesem Treffen geht. Die Jungwissenschaftler (JuWis) der Oberbehörde kommen alle ein bis zwei Jahre, mal am Standort in Karlsruhe und mal am Standort in Hamburg zusammen. Dabei haben die Teilnehmenden das Programm des Events selbst in der Hand. Gemeinsam erarbeiten die Nachwuchsforschenden ein mehrtägiges Programm aus Vorträgen, Diskussionsrunden und informellem Austausch.

Auch dieses Jahr kamen die Teilnehmer des Forschungsrendezvous mit allen Teilen des Forschungsprozesses in Berührung. Von den anfänglichen Fragen: ob ein Forschungsthema auch für eine Promotion geeignet wäre, ob es mit Künstlicher Intelligenz lösbar ist oder ob eine Anwendung von Python die Lösung ist – bis hin zu den finalen Fragen: wo, unter welcher Form, mit welchem Urheberrecht und mit welchen Daten die Forschungsarbeit  zu veröffentlichen ist.

Bei letzteren Fragen ließen sich die JuWis von der Verwaltung der BAW an die Hand nehmen und konnten von den vielfältigen und bewährten Angeboten der erfahrenen Kollegschaft lernen.

Highlight des diesjährigen Forschungsrendezvous war für viele die Exkursion zur Staustufe Iffezheim. Durch die Verlängerung des Forschungsrendezvous von zwei auf drei Tage war diese außergewöhnliche Erfahrung möglich. Herr Prof. Dr. Heinzelmann beschrieb die Exkursion bei seiner Eröffnungsrede am ersten Tag als „Wasserbau zum Anfassen“ und unterstrich, wie wichtig die Nähe zur Praxis für den Nachwuchs der BAW ist.

Das Feedback der Teilnehmenden war durchweg positiv, insbesondere bezüglich des fachlichen Freiraums und der Möglichkeiten des Austausches. Des Weiteren wurde die organisatorische Unterstützung der BAW gelobt. So bleibt zu hoffen, dass für alle zukünftigen Fragen sich die JuWis auch nach dem Forschungsrendezvous gegenseitig die Hand reichen oder wissen wer ein Händchen bei der Verwaltung dafür hat.

Auf den Grund gegangen: Zwei Einsätze des Taucherglockenschiffes „Carl Straat“ für die BAW

Das WSV-Taucherglockenschiff (TGS) „Carl Straat“ konnte in der zweiten Jahreshälfte 2020 wieder erfolgreich für BAW-Projekte eingesetzt werden: Im September wurden Vorversuche für eine innovative Methode des Geschiebe-Tracings am Oberrhein durchgeführt, und im November und Dezember erfolgte eine Kampagne zur Sohlprobennahme am Niederrhein. Im Folgenden wird ein kurzer Einblick in die Kampagnen gegeben.

Bei den Vorversuchen am Oberrhein wurden in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur – Wien Radiotelemetrie-Tracer in der Rheinsohle platziert, die Funksignale aussenden und deren Lage somit geortet werden kann [1, 2]. Die Tracer wurden in zwei Ausführungen getestet: 1) Sender ohne weitere Einhüllung, 2) Einbettung der Sender in einen „künstlichen Stein“, der insgesamt die Dichte und Größe von typischem Grobkies aufweist. Untersucht wurden nach der Tracer-Platzierung (Abb. 1) die maximale Ortungsdistanz sowie der Verlauf der Signalstärke abhängig von der Bauart (nicht umhüllt oder als künstliche Steine), Tiefe im Sediment, und Wassertiefe (Abb. 2).

Abb. 1: Einbringen von Tracern in die Rheinsohle.
Abb. 2: Ortung der Tracer vom Boot aus.

Die Vorversuche lieferten wertvolle Informationen bezüglich der Optimierung dieser innovativen Tracing-Methode für die Gegebenheiten am Oberrhein. Auf diese Weise erfasste Daten unterstützen beispielsweise bei der Bearbeitung von Fragestellungen der Morphodynamik (hier im Bereich der Geschiebezugabe Iffezheim und unterstrom), unter anderem zum Verständnis von Prozessen der Deckschichtbildung oder Sohlaufhöhung. Die Radiotelemetrie-Tracer vereinen dabei eine Reihe von Vorteilen in sich, wie z. B. eine hohe zeitliche und räumliche Auflösung der Messdaten, die Möglichkeit zur individuellen Nachverfolgung von Tracer-Steinen, eine hohe Wiederauffindbarkeit bei langer Lebensdauer und Laufzeit, sowie einen verhältnismäßig geringen personellen und technischen Aufwand.
Ein Video zur beschriebenen Kampagne am Oberrhein ist im Infozentrum Wasserbau bereitgestellt [3], eine Bilderserie kann auf Flickr eingesehen werden [4].

Im November und Dezember wurde über einen Zeitraum von vier Wochen die Rheinsohle von Zons bis Duisburg beprobt. Hintergrund ist der Bedarf an Datenreihen, die einerseits u. a. die WSV bei der Erfolgskontrolle der Geschiebezugabe Niederrhein unterstützen, und andererseits der BAW zur Validierung und Kalibrierung von Feststofftransportmodellen dienen. Im Bereich von Rh-km 720,0 bis 777,0 wurden je Kilometer an 3 – 5 Punkten entlang des Querprofils Schürfproben von der Deck- und Unterschicht genommen sowie eine Geschiebeansprache und eventuelle Besonderheiten fotografisch und schriftlich dokumentiert (Abb. 3). Auf den 57 km Strecke wurden insgesamt 248 Punkte angesteuert und beprobt (Abb. 4), wobei der relativ niedrige Wasserstand gerade im Bereich von Gleithängen und Buhnenfeldern bei manchen geplanten Probenpunkte die Anfahrt verhinderte. In der nächsten Stufe der Datenerhebung werden an der BAW die Sieblinien der Schürfproben ermittelt (Abb. 5).

Abb. 3: „’O Sohle mio“ bei Rh-km 724,2 (wg. Ankerverbots erfolgte die Probennahme an dieser Stelle nicht auf dem vollen Rh-km). (a) 233 m Abstand zum linken Hektometerstein, Gleithang am Ende einer Linkskrümmung; (b) 283 m Abstand zum linken Hektometerstein, etwa Fahrrinnenmitte; (c) 383 m Abstand zum linken Hektometerstein, Kolkverbau.

Auch wenn einzelne Abläufe solcher Kampagnen sich oft wiederholen und damit bald zur unspektakulären Routine werden, bleibt die Möglichkeit, in einer Taucherglocke auf der Rheinsohle zu stehen, etwas Besonderes: Der Weg zur Arbeit (Abb. 6), die Geräuschkulisse aus Druckluftzischen, Wasserrauschen, Motorbrummen, der Schleusungsvorgang, der sich anfühlt wie ein sehr schneller Sink- oder Steigflug mit sehr großem Höhenunterschied, die Spannung darauf, welche Objekte und Formen man nach dem Absetzen vorfindet und welche Prozesse an der Sohle erkennbar sind, das Rieseln des Geschiebetriebs, der von außen an die Glocke prasselt, das Knirschen und Knacken beim Aufsetzen der Glocke auf Kolkverbausteinen, das Drehen des TGS und der abgesetzten Glocke bei Begegnungsverkehr, und vieles mehr führen insgesamt zu einer außergewöhnlichen Erfahrung.

Abb. 4: Positionen der Schürfproben in den Düsseldörfer und Krefelder Bögen.
Rhein geschaufelt: Zahlreiche Schürfproben sind im Eimer.
Abb. 5: Zwischenergebnis der Schürfprobennahme.

Unser bester Dank für die tatkräftige Unterstützung bei Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Kampagnen geht an die Besatzung des TGS „Carl Straat“, die zudem eingebundenen WSV-Schiffe, die beteiligten Außenbezirke, und auch an viele Helfende der BAW!

Auch im Jahre 2021 soll es wieder BAW-Kampagnen in der Taucherglocke geben – dann allerdings auf Archimedes, dem Nachfolgeschiff des TGS „Carl Straat“.

Abb. 6: Abstieg durch die Röhre in die Glocke.

An der Entstehung dieses Beitrages haben Martin Struck und Regina Patzwahl mitgewirkt.

Quellen:
[1] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/esp.3338
[2] https://link.springer.com/article/10.1007/s00506-012-0035-5
[3] https://izw-campus.baw.de/goto.php?target=cat_2012&client_id=iliasclient
(siehe auch https://youtu.be/qXR5nlG5itU)
[4] https://www.flickr.com/photos/bundesanstalt_fuer_wasserbau/albums/72157716277074536
(eine erweiterte Bildauswahl bietet eine Suche nach „Straat“ auf https://izw-medienarchiv.baw.de/search)