Lilly Plumer

Forschung für resiliente, vernetzte und umweltgerechte Verkehrsträger – 2. Verkehrs- und Infrastrukturtagung des BMDV-Expertennetzwerks

Am 26. Oktober fand die 2. Verkehrs- und Infrastrukturtagung des BMDV-Expertennetzwerks statt. Die Veranstaltung bot ein abwechslungsreiches Programm aus Vorträgen, Postersessions und Diskussionsrunden.  Die dringenden Themen der heutigen und zukünftigen Verkehrsinfrastruktur wurden vorgestellt. Im Fokus standen dabei: Klimawandel, Umwelt, erneuerbare Energien sowie zuverlässige Infrastruktur, digitale Technologien und verkehrswirtschaftliche Analysen.

Auch Mitarbeitende der BAW waren zum Veranstaltungsort im Herzen von Berlin, in das Allianz Forum neben dem Brandenburger Tor angereist. Schon am Vorabend der Veranstaltung gab es unter den Expertinnen und Experten aller Behörden des Netzwerkes ein Speed-Dating für den fachlichen und privaten Austausch. Das Besondere am BMDV-Expertennetzwerk ist die Möglichkeit über den Tellerrand der eigenen Behörde hinauszuschauen und das vernetzte Arbeiten zu stärken.

Bei der Veranstaltung selbst hat man diese Vernetzung unter den Behörden deutlich gespürt. „Wir leben Netzwerk“ und „Lücken werden geschlossen“ sind hierbei zwei prägnante Beispiele aus den Diskussionsrunden auf dem Podium. Poster und Vorträge (www.bmdv-expertennetzwerk.bund.de/VIT2023) wurden meist gemeinschaftlich von Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Behörden vorgestellt.

Neben dem Aspekt der Vernetzung wurde zusätzlich betont, dass das BMDV-Expertennetzwerk die Möglichkeiten fördert neue Kompetenzen innerhalb der eigenen Behörde aufzubauen und praxisnahe Forschung zu betreiben.

Die Interaktion mit dem Publikum verdeutlichte, dass die Forschungsthemen des Netzwerkes große Relevanz haben und essentiell für die Zukunft der Verkehrsinfrastruktur sind. Die Forschenden konnten dabei unter Beweis stellen, mit welch hoher Motivation und Qualität sie die anspruchsvollen Themen der Verkehrsinfrastruktur von morgen angehen.

Forschungsrendezvous 2023 in Karlsruhe

Wenn JuWis die Sache in die Hand nehmen

„Von Forschenden für Forschende“ – so lautet der Leitsatz des Forschungsrendezvous der BAW und der beschreibt bereits sehr gut, worum es bei diesem Treffen geht. Die Jungwissenschaftler (JuWis) der Oberbehörde kommen alle ein bis zwei Jahre, mal am Standort in Karlsruhe und mal am Standort in Hamburg zusammen. Dabei haben die Teilnehmenden das Programm des Events selbst in der Hand. Gemeinsam erarbeiten die Nachwuchsforschenden ein mehrtägiges Programm aus Vorträgen, Diskussionsrunden und informellem Austausch.

Auch dieses Jahr kamen die Teilnehmer des Forschungsrendezvous mit allen Teilen des Forschungsprozesses in Berührung. Von den anfänglichen Fragen: ob ein Forschungsthema auch für eine Promotion geeignet wäre, ob es mit Künstlicher Intelligenz lösbar ist oder ob eine Anwendung von Python die Lösung ist – bis hin zu den finalen Fragen: wo, unter welcher Form, mit welchem Urheberrecht und mit welchen Daten die Forschungsarbeit  zu veröffentlichen ist.

Bei letzteren Fragen ließen sich die JuWis von der Verwaltung der BAW an die Hand nehmen und konnten von den vielfältigen und bewährten Angeboten der erfahrenen Kollegschaft lernen.

Highlight des diesjährigen Forschungsrendezvous war für viele die Exkursion zur Staustufe Iffezheim. Durch die Verlängerung des Forschungsrendezvous von zwei auf drei Tage war diese außergewöhnliche Erfahrung möglich. Herr Prof. Dr. Heinzelmann beschrieb die Exkursion bei seiner Eröffnungsrede am ersten Tag als „Wasserbau zum Anfassen“ und unterstrich, wie wichtig die Nähe zur Praxis für den Nachwuchs der BAW ist.

Das Feedback der Teilnehmenden war durchweg positiv, insbesondere bezüglich des fachlichen Freiraums und der Möglichkeiten des Austausches. Des Weiteren wurde die organisatorische Unterstützung der BAW gelobt. So bleibt zu hoffen, dass für alle zukünftigen Fragen sich die JuWis auch nach dem Forschungsrendezvous gegenseitig die Hand reichen oder wissen wer ein Händchen bei der Verwaltung dafür hat.

Starkregen ein toter Winkel der Wasserstraße – Der Fall: Stuttgart am Neckar

Den toten Winkel kennt man meist nur aus dem Straßenverkehr. Eine oft unbemerkte und doch potenziell fatale Gefahr. Ein Starkregenereignis kann durchaus einen ähnlichen Effekt auf die Wasserstraße haben. Inwiefern? Was ist zu tun? Das will ich heute erklären.

Vor einigen Jahren erreichte uns die Nachricht, dass es in der Stauhaltung Hofen am Neckar nahe der Stadt Stuttgart immer wieder zu unerklärlichen Wasserstandsanstiegen kommt. Vor allem im Sommer passierte es, dass der Wasserpegel plötzlich rasant anstieg und das Betriebspersonal der Staustufe nur noch nachträglich versuchen konnte die Schwankungen in den Griff zu kriegen, um die Schifffahrt möglichst nicht zu gefährden. Kleine Wasserstandschwankungen können ausreichen, dass der Platz unter Brücken für die Schiffe knapp wird oder sie den Grund des Flusses berühren. Eine Erklärung für die Schwankungen in Hofen musste her und meine Kolleg*innen machten sich auf die Suche.

Schnell stellte sich heraus, dass hier die Kanalisation von Stuttgart ihre Finger im Spiel hat.  Starkregenereignisse führen nicht immer zu Hochwasser und Überschwemmungen, sie können aber zeitweise unsere Kanalisation an ihre Grenzen bringen. So auch in Stuttgart. Tritt hier ein Starkregenereignis auf, so kann die Kanalisation nicht das komplette Regenwasser zur Kläranlage abführen, sondern das Wasser wählt gegebenenfalls den „Notausgang“.  Das heißt das Wasser wird aus der Kanalisation in den Neckar abgegeben. Gerade im Sommer, wenn der Neckar sowieso schon wenig Wasser hat, kann dies fatale Folgen haben. Es ist möglich, dass aus der Stuttgarter Kanalisation ein zehnmal größerer Abfluss kommt, als im Neckar selbst vorhanden ist. Für mich persönlich kaum vorstellbar, aber eine reale Tatsache und bestimmt kein Einzelfall. Ich reiste während meiner Masterarbeit nach Stuttgart und schaute mir diesen „Notausgang“, in der Fachsprache Entlastungsbauwerk genannt, einmal an:

Am rechten Uferrand, unmittelbar hinter der Bahnbrücke (oberhalb meines Ellbogens), erkennt man das Bauwerk. Sehr unauffällig gliedert es sich in die grüne Landschaft ein. Bahn- und Fahrradwege führen entlang und nur das Auge einer Fachperson lässt erahnen worum es sich handelt.

Genau an dieser Stelle rauscht also an regnerischen Sommertagen unbemerkt das überschüssige Wasser aus der Kanalisation in den Neckar? Die Untersuchungen zeigen: wellenartig strömt das Wasser den Neckar entlang und erreicht die Staustufe. Was tun? Es gibt eine scheinbar einfache Lösung. Schauen wir uns die Staustufe Hofen mal genauer an:

Das Wasser steht hier echt bis zum Rand, aber staugeregelte Wasserstraßen, wie der Neckar, sind mithilfe der Wehranlagen und Kraftwerksturbinen regelbar. Demnach kann das Betriebspersonal Einfluss auf den Wasserstand nehmen. Ist das Personal rechtzeitig informiert, ob und wieviel Wasser aus der Kanalisation in den Neckar kommt, so ist das Personal in der Lage vorrausschauend zu handeln. Bei Regelungssystemen ist diese Vorausschau entscheidend.  Dadurch ist es möglich, aktiv Wasserstandsschwankungen entgegen zu wirken und eine problemlose Schifffahrt sicherzustellen. Bildlich gesprochen, kann man sich für die Wasserstandsänderung schonmal bereithalten.

Die maximale Wassermenge, welche die Kanalisation an die Wasserstraße abgeben darf, ist zwar gesetzlich geregelt, der aktuelle Wert wird aber nicht gemessen. Deswegen haben sich im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerks (Bundesministerium für Digitales und Verkehr) der DWD (Deutsche Wetterdienst) und die BAW zusammengeschlossen und ein Live-Prognosesystem für die Stauhaltung Hofen am Neckar entwickelt. Der DWD liefert die benötigten Regenprognosen und die BAW errechnet anhand eines Modells, wieviel Wasser in den Neckar abgegeben werden wird. Die Neckar AG, in den meisten Fällen verantwortlich für den Wasserstand, kann wiederum jederzeit auf die Prognose der BAW zugreifen. Die Neckar AG erhält die entscheidende Information und kann vorrausschauend handeln.

So ist ein beeindruckendes Forschungsprojekt entstanden. Der Fall um die Stauhaltung Hofen konnte gelöst werden und die Neckar AG kann derzeit vom neuesten Stand der Forschung profitieren. Ich durfte im Rahmen meiner Masterarbeit in das Thema einsteigen und bin nun seit Ende letzten Jahres als wissenschaftliche Mitarbeiterin der BAW mit an der Projektbearbeitung beteiligt.

Ich freue mich auf viele weitere spannende Herausforderungen und blicke schon sehr gespannt in Richtung Oktober. Zusammen mit meinem Kollegen des DWD darf ich dieses Projekt bei der zweiten Verkehrs- und Infrastrukturtagung des BMDV-Expertennetzwerks in Berlin vorstellen; hier der Link für mehr Infos zur Veranstaltung:

https://www.bmdv-expertennetzwerk.bund.de/VIT2023