Martin Pohl

Geotechnical Engineering Challenges to Meet Current and Emerging Needs of Society – ECSMGE24

Unter diesem Titel fand das diesjährige Treffen der europäischen Geotechniker statt. Rund 1200 Personen nutzten den fachlichen Austausch in Lissabon, Portugal und nahmen an der europäischen Konferenz ECSMGE24 teil. Neben Haupt-Vorträgen (Lectures) fanden Fachvorträge in themenspezifischen Parallelsessions statt. Die BAW war mit einigen Beiträgen zu aktuellen Fragestellungen vertreten, um diese der Fachwelt zur Diskussion zu stellen. Alle Beiträge sind im Internet verfügbar: DOI 10.1201/9781003431749.

So berichtete Wolf Pfeiffer (Foto) am Beispiel der geplanten Schleuse Lüneburg über die Nachhaltigkeitsbewertung der erfolgten Baugrunderkundung und dem geplanten Schleusenbau. (DOI 10.1201/9781003431749-636).

Ulf Matthiesen stellte in seinem Beitrag dar, welchen Einfluss eine ordnungsgemäße Austauschbohrung für die Tragfähigkeit von Spundwänden im Kajenbau hat (DOI 10.1201/9781003431749-476).

Hanna Nissen präsentierte Teile ihrer Doktorarbeit zu Untersuchungen der Grundwasserströmung auf die Bohrpfahlherstellung (DOI 10.1201/9781003431749-486).

Helen Machacek legte in ihrem Beitrag dar, wie mittels neuartiger Versuchsgerätschaften für den hydraulischen Grundbruch in bindigen Böden ein Nachweisformat entwickelt werden kann (DOI 10.1201/9781003431749-486).

Martin Pohl präsentierte anhand von Untersuchungen an Seedeichen, dass diese bei guter Deichunterhaltung auch zukünftigen Klimawandelfolgen weitestgehend standhalten werden (DOI 10.1201/9781003431749-353).

Was gab es sonst, schlaglichtartig?

Ein Erdbeben (Stufe 5,3) ereignete sich in der Nacht zum ersten Tag der Konferenz. Life hack: bei Dienstreiseantritt auch hazard-maps studieren, so dass Erdbebenzonen und Tsunamirisiken bekannt sind.

Bei der opening ceremony gab es den Hinweis vom Politiker Carlos Moedas, dass mehr Ingenieure in die Politik gehen sollten. Ingenieure seien lösungsorientiert und gut darin Probleme zu erkennen, zu verhindern und auch zu lösen.

Bei vielen Vorträgen ging es darum, wie Schäden vermieden werden können; vielfach mit einem Bezug zu Klimawandelursachen, wie Starkregen. Ein Vortragender konnte Schäden aber auch etwas Positives abgewinnen, weil dies nun gute Beispiele zum Studieren seien. Also alles eine Frage der Perspektive.

Seit kurzem besteht eine Zusammenarbeit der ISSMGE mit der UN, um in Katastrophengebieten und bei gravierenden Schadensfällen mit geotechnischem Expertenwissen zu unterstützen. Die Initiative heißt: Geo-engineers without borders.

Themen, die sonst noch an Präsenz gewonnen haben, waren Aspekte zur künstlichen Intelligenz und zur probabilistischen Bemessung.

Da solche Konferenzen auch gerne für Ausschusstreffen in Person genutzt werden, hatte Martin Pohl noch ein Ausschusstreffen des TC201. Es wurde u.a. die nächste und vorherige (https://doi.org/10.53243/R0006) Ausschussveröffentlichung diskutiert. Dabei zeigte sich, dass international sehr unterschiedliche Bewertungen und Einschätzungen existieren, so dass ein Abgleich und Austausch äußerst wichtig sind.

Die Rückreise glückte diesmal auch für alle. Auf der Hinreise saßen nämlich zwei Kollegen 12 Stunden am Flughafen in Hamburg fest. …und im Flieger gab es erfreulicherweise eine zukunftsgerechte und nachhaltige (da vegetarische) Essensauswahl.

Bodenmechanisches Praktikum für die WSV-Student*innen der HSU

Im November wurden vom geotechnischen Labor der BAW in Hamburg zwei Praktika für die Student*innen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) an der Helmut-Schmidt-Universität (HSU) ausgerichtet. Die HSU wird beim Studiengang Bauingenieurwesen von der BAW unterstützt.

Beim ersten Termin wurden die Inhalte vermittelt, die dazu dienen, den Baugrundaufbau zutreffend zu beschreiben und zu klassifizieren. So wurde die Bodenansprache, d.h. die fachgerechte Beschreibung des in einem Bohrkern befindlichen Bodens beigebracht, indem dies einmal erläutert sowie vorgeführt wurde und dann die Student*innen selber ran durften. Die ausgewählten Bohrkerne stammten von den Projekten Schleuse Lüneburg, 5. Schleusenkammer Brunsbüttel, Kleine Schleuse Kiel und Westmauer Helgoland. Die WSV-Student*innen hatten also direkten Kontakt zu aktuellen WSV-Projekten.

Ausgewählte Bohrkerne bei der Bodenansprache

Danach wurden die Klassifikationsversuche in Kleingruppen durchgegangen: Labortechnische Ermittlung der Kornverteilung mittels Sieb- und Schlämmanalyse, Bestimmung der Zustandsgrenzen (Plastizität) sowie die Ermittlung des Wassergehalts, Kalkgehalts, des Organischen Anteils und der Dichte. Nach der Versuchserklärung durch die jeweiligen Laborkolleg*innen erfolgte die eigene Versuchsdurchführung und -auswertung durch die Student*innen.  Somit haben die Student*innen praxisnah das Vorgehen und die Versuche kennengelernt und selber ausgeführt, die die Daten liefern, welche zur qualitativen und quantitativen Beschreibung der Baugrundeigenschaften führen. Diese bilden die Grundlage für die Herleitung von Baugrundprofilen zur Bemessung von Bauwerken sowie für die Einsatzmöglichkeiten von Herstellverfahren für unterschiedliche Bauprozesse.

Kleingruppe bei der Kalkgehalt-Bestimmung

Beim zweiten Termin wurden die sog. höherwertigen Versuche durchgenommen, die das physikalische Bodenverhalten unter Be- und Entlastung ermitteln und die Bodenkennwerte liefern, mit denen die WSV-Bauwerke bemessen werden. Dies sind: der Ödometerversuch und der Einaxiale Druckversuch sowie die Königsklasse der geotechnischen Versuche: der Triaxialversuch. Hierbei durften die Student*innen selber die spezifischen Probekörper aus den besonders entnommenen Bohrkernen herausarbeiten, für die unterschiedlichen Versuchsgeräte vorbereiten und diese anschließend auch in die Versuchsgeräte einbauen.

Vorbereitung von Probekörpern für die Triaxialversuche

Lediglich den Einaxialen Druckversuch konnten die Student*innen jedoch selber durchführen und auswerten. Die beiden anderen Versuche dauern mit einer bis drei Wochen Versuchsdauer sehr viel länger, so dass vom geotechnischen Laborleiter hierfür Versuchsdaten zur Verfügung gestellt wurden, die die Student*innen unter Anleitung aus- und die Ergebnisse bewerteten. So wurde u.a. das physikalische Spannungs-Dehnungs-Verhalten unter dränierter Belastung im Triaxialversuch ermittelt, um hieraus einen Satz an maßgeblichen Bodenkennwerten zur Bemessung von Bauwerken herzuleiten.

Durch die Praktika ist den Student*innen deutlich geworden, dass die Untersuchungen mitunter recht lange dauern und viel Erfahrung dazu gehört die Versuche fachgerecht auszuführen und auch die Ergebnisse richtig zu bewerten. Dem Laborteam der BAW haben die beiden Praktika viel Spaß bereitet, weil die Student*innen sehr engagiert waren, egal ob es darum ging sich die Hände dreckig zu machen oder auch analytische Berechnungen und physikalische Zusammenhänge nachzuvollziehen.

Iceland & ECSMGE – TC201 & red lava

Anfang September fand auf Island die European Conference on Soil Mechanics and Geotechnical Engineering (ECSMGE) statt. Das Technical Committee (TC201) “Dykes and Levees”, in dem ich (Martin Pohl) Sekretär bin, hatte einige Aktivitäten über die kurz berichtet werden soll.

Konferenzzentrum HARPA

Beginnen möchte ich jedoch mit den Reden von der Opening Ceremony. Nahezu alle Redner wiesen auf die Bedrohung durch den Klimawandel eindringlich hin. In den arktischen Regionen sind die Auswirkungen seit längerem sehr deutlich zu spüren. Betroffen sind jedoch alle Gegenden der Erde. Die Delegierten wurden daher aufgefordert dem Klimawandel entgegenzutreten „to win the battle“ … „and not to destroy the earth“.
In der letzten Session vor der Closing Ceremony wurde das Thema wieder aufgegriffen und es wurden erfolgreich praktizierte Beiträge der Geotechnik gezeigt, um Energie einzusparen, wie z.B. Energie-Pfähle, bzw. Versuche gezeigt, um CO2 im Erdreich zu speichern oder umzuwandeln.

Nun zu den Aktivitäten des TC201 auf der ECSMGE:
Durch den Klimawandel mit einem prognostizierten Anstieg des Meeresspiegels sowie bereits zu beobachtenden weltweit vorkommenden Überflutungen gewinnen Deiche und Dämme an Wichtigkeit, was man am gesteigerten Interesse in der Internationalen Community gegenüber der letzten Konferenz in Seoul 2017 deutlich merkte.

Workshop mit Vorträgen aus den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien:
Durch den Klimawandel nehmen die Belastungen auf Deiche und Dämme zu. Bisher weniger erforschte mögliche Versagensmechanismen, die unter den geänderten Bedingungen an Relevanz gewinnen, wie z.B. Piping, werden daher aufwändig untersucht sowie Präventionsmaßnahmen / Optimierungen gesucht. Interessant ist, dass in den Niederlanden hierfür ein beträchtliches Forschungsbudget von 5 Mio € pro Jahr zur Verfügung steht. Neben großmaßstäblichen Modellversuchen werden bei den Forschungen sogar full-scale-tests ausgeführt. Weitere Modellversuche in Zentrifugen zum Prozessverständnis der inneren Erosion wurden vorgestellt und diskutiert ebenso wie die aktuellen Entwicklungen im europäischen Forschungsprojekt ICOLD/EUCOLD.

Ausschusstreffen mit Vertretern aus den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Portugal, Mexiko und Deutschland:
Um den Stand des Wissens und der Technik international abzugleichen, wurden die zukünftigen Aktivitäten des Ausschusses diskutiert. Workshops und Sessions werden daher auf der PanAmerikanischen Konferenz in Mexiko 2019 stattfinden sowie auf der ICSMGE 2021 in Australien. Des Weiteren wird es Joined-Sessions mit anderen TCs (TC106 Unsaturated Soils , TC210 Dams) auf Konferenzen geben. Webinare (Video-Vorlesungen) sollen auf der ISSMGE-homepage (www.issmge.org) veröffentlicht werden, damit jede Person mit einem Internetzugang die Informationen erlangen kann. Eine gemeinsame Veröffentlichung über mögliche Versagensmechnismen soll erarbeitet werden, um Forschungsbedarf zu ermitteln und Aktivitäten in diesem Bereich (auch unter dem Zeichen des Klimawandels) voranzutreiben. Die erheblichen und erstmalig beobachteten Auswirkungen auf Deiche und Dämme durch lang anhaltende Trockenperioden, wie in Europa 2018, wurden diskutiert.

Session mit Vorträgen aus den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Deutschland, Italien, Mexiko und den USA:
Neben ähnlichen Aspekten wie im Workshop, wurden probabilistische Verfahren sowie Vorgehensweisen für eine Risikoabschätzung diskutiert. Ein weiteres wichtiges Thema war die Bestandsaufnahme von Deichen und Dämmen sowie die Erstellung eines Katasters mit allen Einfluss- und Zustandsgrößen für eine real-time Bewertung. Dieses auf nationaler Ebene aber auch im internationalen Vergleich.

Zum Abschluss der Konferenz unternahm ich noch eine private geologische Exkursion zu Pferd. Landestypisch auf einem Islandpferd sowie bei 10°C und Nieselregen. Wir ritten auf schwarzen Lavapfaden zu einer einmaligen Stelle auf Island, wo rote Lava im Anschnitt zu sehen ist; entstanden dadurch, dass Lava vor langer Zeit aus einem Vulkan unter Wasser ausgetreten ist und mit Eisen versetzt wurde. Diese Schicht wurde anschließend durch die Plattentektonik über die Geländeoberfläche gedrückt; so die isländische Reitführerin. Für einen norddeutschen Geotechniker eine ehrfurchtsvolle Vorstellung.