Wasserbau Küste

Wie viel Sediment ein Schiff wohl aufwirbelt?

Wie viel Sediment wirbelt ein Schiff am Gewässergrund auf? Im Fachjargon: Abschätzung des schiffserzeugten Sedimenttransports. So treibt die Kollegen in dem Forschungsprojekt „Schiffserzeugter Sedimenttransport in Seeschifffahrtsstraßen“ auch die Frage um, ob es überhaupt möglich ist, das Signal der schiffserzeugten Schwebstoffkonzentration von der in einem Tidegewässer natürlich auftretenden hohen Schwebstoffkonzentration zu trennen. Um auch diese Frage messtechnisch zu beantworten, führte die BAW zusammen mit dem WSA Hamburg und der Firma AquaVision BV (NL) umfangreiche 16-tägige (23.10. – 08.11.2015) Messungen direkt vor der Haustür in der Elbe nahe Lühesand (vgl. Titelbild) durch.

Unter Einbeziehung der nautischen Abteilung des WSA-Hamburg bestand die besondere Herausforderung darin, ein Konzept zu entwickeln, zahlreiche Messgeräte direkt in der Fahrrinne der Elbe zu installieren, ohne den Schiffsverkehr beim Ausbringen und Einholen der Gerätschaften sowie während der Messungen zu gefährden. Schließlich war zu vermuten, dass einige Schiffe mit einer sehr geringen Kielfreiheit über die Messgeräte am Gewässergrund fahren werden. Von der Auswahl eines geeigneten Messgebietes bis zur Installation der Messgeräte verging eine etwa halbjährliche intensive Planungsphase. Hierbei waren zahlreiche Randbedingungen zu berücksichtigen. Der Messzeitraum musste lang genug sein, denn es sollten möglichst ausreichend „große Schiffe“ von mehr 350 m Länge den Messbereich passieren. Die Sohle sollte mit möglichst leicht erodierbaren Material bedeckt sein, gleichzeitig jedoch stabil genug sein, dass sie die ca. 800 kg schweren Ankersteine trägt und nicht im Schlick versinken lässt. Zudem sollte es im Messquerschnitt möglich sein, die Ankersteine in kurzer Zeit gefahrlos auszubringen und zu bergen, ohne die Schifffahrt zu beeinträchtigen. Dies gelang unter Verwendung von rund 900 m Ankerkette. Abgestimmt werden musste auch, dass der vorgesehene Messzeitraum möglichst unbeeinflusst von Maßnahmen wie Unterhaltungsbaggerungen ist, die zu einer Trübungsänderung führen könnten.
Dank detaillierter Planung seitens der BAW und einer sehr verlässlichen und guten Zusammenarbeit mit dem WSA Hamburg (speziell dem Außenbezirk Wedel) verflüchtigte sich jedoch das anfängliche Unwohlsein in der Magengegend der Verantwortlichen und die strombaupolizeiliche Genehmigung zur Durchführung der Messungen konnte erteilt werden.

Das Titelbild zeigt den Messbereich in der Elbe nahe Lühesand. Für die sohlnahen punktuellen Messungen wurden 6 Ankersteine (blaue Quadrate im Titelbild) in der Fahrrinne versenkt. Die Ankersteine sind jeweils mit Trübungssensoren, Drucksonden (Wasserspiegellage) und zeitlich hochauflösenden ADV-Strömungsmessgeräten (32 Hz) bestückt. Die nachstehenden Bilder geben einen Eindruck des Messgeräteaufbaus. Um die räumliche und zeitliche Schwebstoffverteilung in der Wassersäule zu erfassen, wurden darüber hinaus an drei Tagen schiffsgestützte ADCP-Messungen durch die Firma AquaVision BV durchgeführt.

 

Ausbringen und bergen der massiven Ankersteine. Verbunden sind die einzelnen Steine mit einer insgesamt 900m langen Kette.

Ausbringen und bergen der massiven Ankersteine. Verbunden sind die einzelnen Steine mit einer insgesamt 900 m langen Kette.

Beim Arbeiten in der Natur missglückt erfahrungsgemäß die eine oder andere Messung. Nur zwei der insgesamt 12 Messgeräte stellten etwas vorzeitig ihren Dienst ein. In Anbetracht der komplexen Messungen ist das ein guter Wert.

Nun beginnt die eigentliche Arbeit der Wissenschaftler. Nach der Faustregel eines erfahrenen Kollegen heißen 16 Tage im Gelände messen, im Anschluss ca. 160 Tage im Büro zu verbringen. Dies bedeutet dann, gewissenhaft die Messdaten analysieren und bewerten. Allerdings wird am Ende häufig ein Pulk neuer Fragen aufgeworfen.

 

Verfasst von Steffen Grünler

Als wissenschaftlicher Angestellter prüfe, analysiere und interpretiere ich mittels komplexen Messtechnologien aufgenommene Daten. Der Fokus der Naturuntersuchungen liegt hierbei auf Strömungs- und Transportprozessen in Tideästuaren.

10. Deutsche Klimatagung in Hamburg

Direkt an der Elbe mit Blick über den Hamburger Hafen trafen sich vom 21. bis 24. September 2015 mehr als 200 Klimaforscherinnen und -forscher zur 10. Deutschen Klimatagung in der HafenCity Universität Hamburg (HCU). In diesem Jahr wurde die Tagung gemeinsam von der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) und dem KlimaCampus Hamburg, einem Netzwerk von Institutionen in der Metropolregion Hamburg, die im Bereich Klima- und Klimafolgenforschung tätig sind, ausgerichtet.

Thema der Tagung war der Klimawandel und so gab es Vorträge und Poster zu den Themenfeldern „Klimawandel – global bis lokal“, „Klimafolgen – regional und lokal“, „Klimaanpassung und Mitigation – Climate Smart“ sowie „Klimakommunikation – Mediale Diskurse und Öffentlichkeit“. Die geladenen Vorträge von Jochem Marotzke (MPI für Meteorologie), Christoph Raible (Universität Bern), Grit Martinez (University of Maryland) und Wolfram Mauser (Universität München) gaben einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zum Klimawandel und seinen Folgen.

Im Themenfeld „Klimafolgen – regional und lokal“ zeigte die BAW in einem Vortrag und auf zwei Postern Ergebnisse aus den Forschungsvorhaben KLIMZUG-Nord und KLIWAS (siehe KLIWAS – Abschlussbericht) zu den Auswirkungen des Klimawandels für die Ästuare von Elbe, Jade-Weser und Ems. So hatten die Mitarbeiterinnen der BAW die Gelegenheit, Auswirkungen eines Klimawandels für die Bundeswasserstraßen sowie Anpassungsoptionen an einen Klimawandel einem breiten Publikum aus Meteorologie, Ozeanographie oder den Sozialwissenschaften vorzustellen.

Poster

Zum Abschluss der Veranstaltung stellte das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) sein aktuelles Positionspapier zu den Perspektiven für die Klimaforschung 2015 bis 2025 vor.

Auch das Rahmenprogram dieser Tagung wird in Erinnerung bleiben. Im Kontrast zum modernen Gebäude der HCU in der HafenCity fand das Jubiläumsdinner der 10. Deutschen Klimatagung in der Handwerkskammer, einem 100 Jahre alten Fritz-Schumacher-Bau, am Holstenwall statt. Zum 10. Jubiläum gab es natürlich auch eine Geburtstagstorte, die Hans Graf und Hans von Storch anschneiden durften!

Geburtstagstorte

Die Fotos wurden freundlicherweise vom Veranstalter der 10. DKT 2015, DMG und KlimaCampus Hamburg, zur Verfügung gestellt.

 

 

 

 

 

Verfasst von Elisabeth Rudolph

Dipl. Meteorologin, seit 1994 bei der BAW angestellt. Sie untersucht Sturmfluten in den Ästuaren von Elbe, Jade-Weser und Ems.

Nachgefragt: Modellierung von Morphodynamik

Ich habe mich mit Frau Dr. Zorndt über das Thema „Modellierung von Morphodynamik“ unterhalten. Frau Dr. Zorndt hat an der Leibnitz Universität Hannover Bauingenieurwesen studiert und anschließend am Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen promoviert. Seit 2014 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Wasserbau im Küstenbereich der Bundesanstalt für Wasserbau. Dort beschäftigt sie sich unter anderem mit der Morphodynamik der Weser.

Klöpper: Frau Dr. Zorndt, Sie waren Ende September auf dem internationalen Workshop Morphodynamics 2015 an der TU Hamburg-Harburg. Was versteht man unter Morphodynamik?

Zorndt: Der Begriff Morphologie bedeutet allgemein die Lehre der Gestalt. Die Morphodynamik beschreibt die Änderung der Morphologie im Laufe der Zeit. Im Wasserbau oder Küsteningenieurwesen ist überwiegend die Geomorphologie gemeint. In Tideflüssen besteht das Gewässerbett überwiegend aus sandigem Material, manchmal auch aus feinkörnigeren Schluffen. Veränderungen des Gewässerbettes durch Erosion oder Sedimentation werden durch Tideströmungen und Seegang induziert. Über lange Zeiträume kann man in der Natur die Verlagerung von Prielen und Rinnen beobachten – ein Resultat des Sedimenttransports.

Klöpper: Sie verstehen sich als Küsteningenieurin. Der Workshop, auf dem Sie waren, wurde aber vom Institut für Geotechnik und Baubetrieb der TUHH organisiert. Sind das nicht ganz unterschiedliche Disziplinen?

Zorndt: Im Küsteningenieurwesen kommt überwiegend die prozessbasierte morphodynamische Modellierung zum Einsatz. Im Workshop ging es darum, welche Erkenntnisse oder Methoden aus dem Bereich der Geotechnik gewonnen werden können, um die Konzepte oder Parametrisierungen des Sedimenttransports in morphdynamischen Modellen zu verbessern.

Klöpper: Was ist prozessbasierte morphodynamische Modellierung?

Zorndt: Es ist eine Methode, morphodynamische Prozesse zu simulieren. Mit Hilfe eines mathematischen Verfahrens werden Hydrodynamik und Transportprozesse (z.B. von Sedimenten) berechnet. Daraus ergibt sich die morphologische Änderung im Untersuchungsgebiet. Wir betrachten hierbei jedoch nicht einzelne Sandkörner, sondern ein vereinfachtes Ersatzsystem, nämlich einen Bodenkörper, der aus bestimmten Sedimentfraktionen zusammengesetzt ist. Unsere Sedimenttransportformeln werden dann für jede dieser Fraktionen gelöst. Hierbei parametrisieren wir den Beginn der Sedimentbewegung mit Hilfe der Bodenschubspannung. Erst beim Überschreiten einer kritischen Schubspannung beginnt die Bewegung der Sedimente. Für unsere großen Untersuchungsräume (100e von Quadratkilometern) und oft langen Simulationsdauern (Wochen bis Monate) ist das ein geeigneter Modellansatz. Es ist jedoch eine starke Vereinfachung der natürlichen Prozesse, bei der die Bewegung des einzelnen Sandkorns nur parametrisiert wird. Die Wahl des Modellaufbaus und der einzelnen Komponenten ist dabei immer von der Fragestellung abhängig, denn ein Modellsetup, das für alle Raum- und Zeitskalen geeignet ist, gibt es nicht.

Klöpper: Wo kann ich dann nachlesen, was dem aktuellen Stand der Technik oder Wissenschaft in der morphodynamischen Modellierung entspricht?

Zorndt: Das ist eine Frage, die auch auf dem Workshop thematisiert wurde. Denn ein Merkblatt oder eine Richtlinie, wie es sie in anderen Bereichen gibt, haben wir nicht. Die Entwicklung eines solchen Dokuments wurde auf dem Workshop diskutiert.

Klöpper: Verwenden die Geotechniker auch die prozessbasierte morphodynamische Modellierung?

Zorndt: In der Geotechnik werden zurzeit Methoden weiter entwickelt und angewendet, die tatsächlich die Bewegung von einzelnen Partikeln beschreiben, wie zum Beispiel Smoothed Particle Hydrodynamics, die Discrete Element Method oder die Material Point Method. Die Physik der Sedimentbewegung kann mit Hilfe dieser Methoden komplexer abgebildet und höher aufgelöst betrachtet werden. Damit werden Prozesse betrachtet, die wir in unseren Modellen nicht abbilden können. Allerding können mit solchen Modellansätzen nur sehr kleine Raum- und Zeitskalen betrachtet werden.

Klöpper: Das bedeutet, man müsste einen Weg finden die verschiedenen Modellansätze miteinander zu verbinden?

Zorndt: Viele Prozesse, nehmen wir nur mal den Porenüberdruck im Boden, der zu Sedimentbewegung führt, können wir mit Hilfe der heutigen Sedimenttransportformeln nicht berücksichtigen. Für die Morphodynamik können diese Prozesse aber durchaus wichtig sein. Das sehen wir z.B. beim schiffserzeugten Sedimenttransport oder dem Einfluss von Seegang auf Wattflächen. Ein Ziel des Workshops war es daher zu diskutieren, wie man die oben genannten Methoden der Geotechnik nutzen kann, um diese Prozesse in unseren Modellen zu beschreiben oder parametrisieren.

Klöpper: Und was haben Sie aus dem Workshop mitgenommen?

Zorndt: Im Workshop konnten wir die Zusammenführung der Methoden nur oberflächlich andiskutieren. Aber dieser interdisziplinäre Austausch ist wichtig. Bei der BAW wird dieser Austausch hausintern schon länger gepflegt, da hier beide Fachdisziplinen (Geotechnik und Wasserbau) unter einem Dach sitzen und eng zusammen arbeiten. Das Thema ist auch nicht neu, die BAW unterhält bereits Forschungs- und Entwicklungskooperationen mit Geotechnikinstituten der Universitäten. Bis zur ersten Umsetzung wird es aber sicherlich noch einiges an Forschungs- und Entwicklungsarbeit benötigen.

Klöpper: Herzlichen Dank Frau Dr. Zorndt für diese Einblicke.

Verfasst von Morten Klöpper

Als wissenschaftlicher Angestellter im Bereich Wasserbau im Küstenbereich untersuche ich die deutschen Ästuare und Küstengewässer und nutze dabei überwiegend hydrodynamisch numerische Modelle.

Notankerung der „YM WISH“ am 31.7.2015 aus Sicht der AIS Daten

„Riesen-Containerschiff läuft auf Grund der Elbe“, so titelte die Online Regionalausgabe der Zeitung „Die Welt“ am 31.7.2015. Weitaus weniger dramatisch liest sich die Überschrift im Portal des Hafen Hamburg Marketing: „Neubau YM WISH nach Maschinenausfall sicher vor Wischhafen geankert“

Was war passiert: Der 368 m lange und 51 m breite Containerfrachter war am Morgen des 31.7.2015 gegen 5:00 vom Tollerort Terminal Richtung Nordsee ausgelaufen, als gegen 7:05 bei Tonne 96 (querab Pagensand) die Maschine ausfiel. Dies legen jedenfalls die Informationen aus den bei der BAW-DH aufgezeichneten AIS-Daten nahe. Von dem Moment an wurde das Schiff stetig langsamer, bis es 13,5 km weiter stromab gegen 08:30 nördlich von Tonne 80 zum Stehen kam und der Anker geworfen wurde. Laut Zeitungsberichten wurde das Schiff dabei mit der letzten Fahrt in die Unterwasserböschung gefahren und so auf Grund gesetzt. Das lokale Niedrigwasser war 2 Stunden später, so dass durch diese Maßnahme vermutlich das Querschlagen des Schiffes in der Fahrrinne verhindert wurde. Diese Gefahr bestand nämlich dadurch, dass die zu der Zeit noch herrschende Ebbeströmung das Schiff von achtern anströmte. Wenn man nur den Anker geworfen hätte, hätte sich das Schiff unter dem Einfluss der Strömung um den Anker drehen wollen und hätte dann das Fahrwasser blockiert. An dieser Stelle ist die Fahrrinne nur knapp über 300 m breit, so dass das Schiff mit einer Länge von 368 m mit dem Vorschiff auf der Schleswig-Holsteinischen Seite, mit dem Achterschiff auf der Niedersächsischen Seite festgelegen hätte. Alle ein- oder auslaufenden großen Schiffe hätten das Problem gehabt, dass sie irgendwo hätten sicher warten müssen, was eventuell nicht möglich gewesen wäre.

YM-WISH_2

Man muss den Nautikern des Schiffes und den Lotsen zu diesem umsichtigen Handeln gratulieren. Durch das kontrollierte Aufgrundsetzen konnte das Schiff bis zum Eintreffen der Schlepper stabilisiert werden. Gegen 11:20 fingen die Schlepper laut AIS Daten an, das Schiff wieder in die Fahrrinne zu ziehen, wo sie es dann bis zum Elbe-Hafen in Brunsbüttel schleppten. Dort endete die Fahrt gegen 15:00.

Photos der Aktion findet man hier: http://www.shipwrecklog.com/log/2015/07/ym-wish und hier: http://nok-schiffsbilder.de/modules/myalbum/photo.php?lid=58360

Verfasst von Marcus J. Boehlich

Dipl. Ozeanograph, seit 1987 bei der BAW angestellt. Vorzugsweise mit der Tidedynamik der Elbe sowie mit Geodaten beschäftigt.

Die BAW ist „Emsig“ am Messen – Erste Eindrücke vom Messprogramm Ems 2015

Nach monatelangen Planungen startete am Sonntag den 28.06.2015 das groß angelegte Messprogramm der BAW auf der Ems. Bei der einwöchigen Kampagne werden abiotische Parameter wie z.B. Strömungsgeschwindigkeit und -verteilung (ADCP), Salz- (CTD) und Schwebstoffgehalt (ADCP und Wasserproben) gemessen. Mit der Kampagne werden zweierlei Ziele verfolgt. Übergeordnetes Ziel ist eine zusätzliche Validierungsgrundlage für den Aufbau des neuen hydrodynamisch numerischen Emsmodells zu schaffen. Das numerische Modell stellt ein zentrales Werkzeug für die Beratung der WSV und für die Ressortforschung der BAW dar. Des Weiteren werden die erhobenen Daten dabei helfen, das grundlegende Zusammenwirken der komplexen abiotischen Prozesse im System Ems besser zu verstehen. Dieses Verständnis ist immanent um schlussendlich geeignete Maßnahmen zur Verbesserung des Systemzustandes der Ems entwickeln zu können. Eine zentrale Fragestellung ist hierbei, wie weit das Salz in Abhängigkeit vom Oberwasserabfluss in die Ems vordringt. Wie verhält sich beispielsweise der vertikale Salzgradient in Gebieten mit ausgeprägter fluid-mud Dynamik? Ein weiteres Augenmerk liegt auf dem sich verändernden hydraulisch wirksamen Querschnitt im Verlauf der Tide in den Bereichen mit fluid-mud.

 

Ausgeprägte fluid-mud Schicht (Pfeile) im SES am Querprofil Weener

Ausgeprägte fluid-mud Schicht (Pfeile) im SES am Querprofil Weener

Die BAW führt die Messkampagne in Kooperation mit dem langjährigen niederländischen Partner Aqua Vision BV durch. Drei Messboote sind dabei zeitgleich im Einsatz. Im Zweischichtsystem werden acht Ganztidenmessungen über einen Zeitraum von jeweils 13 Stunden auf Querprofilen durchgeführt. Das Querprofil bei Gandersum dient dabei als Referenzprofil. Zeitgleich zu den Messungen an den Querprofilen Pogum, Jemgum, Weener und Rhede werden jeweils Referenzmessungen bei Gandersum durchgeführt. Durch die zeitgleiche Messung lassen sich residuelle Transporte nicht nur über einen Querschnitt, sondern auch über Flussabschnitte bilanzieren. Um das Eindringen der Salzfront in das Ästuar zu erfassen, werden an anderen Tagen mit zwei Schiffen rotierende Längsprofile gefahren. Damit kann die Änderung des vertikalen Salzgradienten über den Tideverlauf nachvollzogen werden. Die Konzeption der Messung ist damit genau auf die Anforderungen der BAW ausgelegt. Allerding ist damit auch ein hoher logistischer und personeller Aufwand verbunden. Der Einsatz von Material und Personal muss daher vorab minutiös durchgeplant werden.

ADCP-, CTD- und SES-Daten

Die ADCP-, CTD- und SES-Daten laufen beim Operator zusammen.

Als sich am Vorabend des ersten Messtages die Besatzungen der drei Messboote kurz vor Mitternacht im Hauptquartier im Deichof bei Leer (Ostrfriesland) versammelt, wird schnell klar, dass die beste und akribischste Planung durch das Unplanmäßige vor Ort beschränkt ist. Nach zwei Tagen des Aufbaus und der Probemessungen funktionierte nicht alles, was im heimischen Labor noch reibungslos klappte. Gegen kurz nach drei Uhr am Sonntagmorgen startete der erste Trupp, um die Messkampagne zu eröffnen. Widrigkeiten wie nicht anspringende Autos, Straßensperrungen und die Verwechslung zwischen Fahrt-über-Grund und Fahrt-im-Wasser torpedieren den Zeitplan schon bevor der Messquerschnitt erreicht wird. Die besonderen Verhältnisse im Ästuar Ems, mit extrem hohen Schwebstoffkonzentrationen fordern die Messtechnik bis in den Grenzbereich.

extreme Schwebstoffkonzentration

Die extreme Schwebstoffkonzentration lässt sich schon optisch erkennen.

Am Ende zahlen sich das Knowhow und die Erfahrung der Kollegen jedoch aus. Im Verlauf der ersten Stunden der Kampagne laufen dann alle Systeme einwandfrei. Dank hoher Flexibilität, großem persönlichen Einsatz und guter Planung läuft die Messkampagne mittlerweile planmäßig. Gemessen wird noch bis zum Samstag den 04.07.2015.

Messgeräte an Bord

CTD, Trübungssensor und direkt befestigter Entnahmeschlauch (links), rechts die Steuerungseinheit mit Pumpe zur automatisierten Wasserprobenentnahme

 

Verfasst von Morten Klöpper

Als wissenschaftlicher Angestellter im Bereich Wasserbau im Küstenbereich untersuche ich die deutschen Ästuare und Küstengewässer und nutze dabei überwiegend hydrodynamisch numerische Modelle.

BAWKolloquium 2015 – Projekte und Entwicklungen für aktuelle Fragestellungen im Küstenwasserbau

Aus Sicht der deutschen Reedereien (77%) werden sich die Größen der Containerschiffe in den nächsten drei bis fünf Jahren unvermindert nach oben entwickeln (Quelle: Statista, siehe Bild unten). Zweifel sind angebracht, legt man die Aussagen einer neuen OECD-Studie[1] zugrunde. Zusammenfassend wird darin prognostiziert, dass die weitere Entwicklung zu immer riesigeren Containerschiffen (>20.000 TEU)[2] sehr stark gebremst werden wird. Andere Faktoren wie eine effizientere Motorenleistung tragen mehr zu Kosteneinsparungen pro Container bei als die pure Ladekapazität des Containerschiffes.

Statistik der Schiffsgrößenentwicklung

Prognostizierte Entwicklung der Schiffsgrößen nach Schiffstypen für die kommenden drei bis fünf Jahre (Umfrage Frühjahr 2014).

In diesem Spannungsfeld bewegen sich auch die zahlreichen Arbeiten in den Projekten der BAW und deren Unterstützung für die Planungen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Zirka 100 Teilnehmer aus den Wasser- und Schifffahrtsämtern, Universitäten und der BAW lauschten beim BAWKolloquium am 18. Juni 2015 den Vorträgen und diskutierten mit.
Bei gelungenen Präsentationen von Autoren der BAW, WSV und Projektpartnern konnte ein klarer Bogen gespannt werden, von den aktuellen Anforderungen an die Seeschifffahrt am Beispiel der Erstellung eines neuen Tidefahrplanes hin zu den Auswirkungen immer größerer Schiffe und den steigenden Schiffsverkehr auf die Stabilität von Strombauwerken (Bsp. Buhnen Juelssand). Die Entwicklung der Größe der Containerschiffe und des Umschlages in den Häfen besitzen enorme Auswirkungen auf die Anpassung der Seehafenzufahrten. So müssen beispielsweise im Rahmen von Untersuchungen zur Weseranpassung insgesamt 42 Gutachten verfasst werden. Ein sich anknüpfender Vortrag veranschaulichte am Beispiel eines sehr aufwendigen, dreijährigen Messprogramms zur Erfassung des Schwebstofftransportes in den Ästuaren Elbe, Weser und Ems, welchen beachtlichen aber notwendigen Aufwand die BAW betreiben muss, um die Ergebnisse der numerischen Modellsimulationen adäquat validieren zu können.
Zu welchen dramatischen Auswirkungen der stete Ausbau eines natürlichen Ästuars und damit eine Anpassung an die Bedürfnisse der Seeschifffahrt führen können, zeigt sich exemplarisch an der Ems. Mögliche Lösungsansätze zur Verminderung des Schwebstoffproblems im Rahmen des Masterplanes Ems 2050 wurden aufgezeigt. Das Kolloquium endete mit einem erfrischenden Vortrag über die Erfahrungen im aktuellen Dialogforum zum Strombau- und Sedimentmanagementkonzept der Tideelbe.

Eine etwas herzhaftere Diskussion zu den vorgestellten Beiträgen wäre wünschenswert gewesen. Die beachtliche Teilnehmerzahl und die Diskussionen in der Kaffeepause zeigen uns allerdings das Interesse an den wissenschaftlichen Arbeiten der BAW im Spannungsfeld Ästuar, Seeschifffahrt, Ausbau der Seehafenzufahrten und Hafenwirtschaft. Dazu zählt auch eine diligente Form der Kommunikation der Ergebnisse der Gutachten und Forschungen. Dr. Maik Bohne (HPA) fasste es in seiner Präsentation in etwa so zusammen: Ein erfolgreicher Kommunikationsprozess zur Umsetzung von Großprojekten wie eine mögliche Elbvertiefung muss maßgeblich auf der Klaviatur der Emotionen gespielt werden.

Die Präsentationen der angesprochenen Vorträge finden sich unter www.baw.de http://www.baw.de/DE/service_wissen/publikationen/tagungsbaende/tagungsbaende.html.


 

[1] OECD/ITF (2015): ITF Transport Outlook 2015, OECD Publishing, Paris/ITF, Paris.
DOI: http://dx.doi.org/10.1787/9789282107782-en .

[2] Ultra-Large Container Ships (ULCS) ist die derzeit größte Containerschiffsklasse mit bis zu 22.000 TEU (http://www.meta-evolutions.de/pages/artikel-20080720-schiff-klasse-groesse.html). Das größte derzeit verkehrende Containerschiff, die MSC Oscar trägt maximal 19.224 TEU.

Verfasst von Steffen Grünler

Als wissenschaftlicher Angestellter prüfe, analysiere und interpretiere ich mittels komplexen Messtechnologien aufgenommene Daten. Der Fokus der Naturuntersuchungen liegt hierbei auf Strömungs- und Transportprozessen in Tideästuaren.