25. November 2015

Wie viel Sediment ein Schiff wohl aufwirbelt?

Wie viel Sediment wirbelt ein Schiff am Gewässergrund auf? Im Fachjargon: Abschätzung des schiffserzeugten Sedimenttransports. So treibt die Kollegen in dem Forschungsprojekt „Schiffserzeugter Sedimenttransport in Seeschifffahrtsstraßen“ auch die Frage um, ob es überhaupt möglich ist, das Signal der schiffserzeugten Schwebstoffkonzentration von der in einem Tidegewässer natürlich auftretenden hohen Schwebstoffkonzentration zu trennen. Um auch diese Frage messtechnisch zu beantworten, führte die BAW zusammen mit dem WSA Hamburg und der Firma AquaVision BV (NL) umfangreiche 16-tägige (23.10. – 08.11.2015) Messungen direkt vor der Haustür in der Elbe nahe Lühesand (vgl. Titelbild) durch.

Unter Einbeziehung der nautischen Abteilung des WSA-Hamburg bestand die besondere Herausforderung darin, ein Konzept zu entwickeln, zahlreiche Messgeräte direkt in der Fahrrinne der Elbe zu installieren, ohne den Schiffsverkehr beim Ausbringen und Einholen der Gerätschaften sowie während der Messungen zu gefährden. Schließlich war zu vermuten, dass einige Schiffe mit einer sehr geringen Kielfreiheit über die Messgeräte am Gewässergrund fahren werden. Von der Auswahl eines geeigneten Messgebietes bis zur Installation der Messgeräte verging eine etwa halbjährliche intensive Planungsphase. Hierbei waren zahlreiche Randbedingungen zu berücksichtigen. Der Messzeitraum musste lang genug sein, denn es sollten möglichst ausreichend „große Schiffe“ von mehr 350 m Länge den Messbereich passieren. Die Sohle sollte mit möglichst leicht erodierbaren Material bedeckt sein, gleichzeitig jedoch stabil genug sein, dass sie die ca. 800 kg schweren Ankersteine trägt und nicht im Schlick versinken lässt. Zudem sollte es im Messquerschnitt möglich sein, die Ankersteine in kurzer Zeit gefahrlos auszubringen und zu bergen, ohne die Schifffahrt zu beeinträchtigen. Dies gelang unter Verwendung von rund 900 m Ankerkette. Abgestimmt werden musste auch, dass der vorgesehene Messzeitraum möglichst unbeeinflusst von Maßnahmen wie Unterhaltungsbaggerungen ist, die zu einer Trübungsänderung führen könnten.
Dank detaillierter Planung seitens der BAW und einer sehr verlässlichen und guten Zusammenarbeit mit dem WSA Hamburg (speziell dem Außenbezirk Wedel) verflüchtigte sich jedoch das anfängliche Unwohlsein in der Magengegend der Verantwortlichen und die strombaupolizeiliche Genehmigung zur Durchführung der Messungen konnte erteilt werden.

Das Titelbild zeigt den Messbereich in der Elbe nahe Lühesand. Für die sohlnahen punktuellen Messungen wurden 6 Ankersteine (blaue Quadrate im Titelbild) in der Fahrrinne versenkt. Die Ankersteine sind jeweils mit Trübungssensoren, Drucksonden (Wasserspiegellage) und zeitlich hochauflösenden ADV-Strömungsmessgeräten (32 Hz) bestückt. Die nachstehenden Bilder geben einen Eindruck des Messgeräteaufbaus. Um die räumliche und zeitliche Schwebstoffverteilung in der Wassersäule zu erfassen, wurden darüber hinaus an drei Tagen schiffsgestützte ADCP-Messungen durch die Firma AquaVision BV durchgeführt.

 

Ausbringen und bergen der massiven Ankersteine. Verbunden sind die einzelnen Steine mit einer insgesamt 900m langen Kette.

Ausbringen und bergen der massiven Ankersteine. Verbunden sind die einzelnen Steine mit einer insgesamt 900 m langen Kette.

Beim Arbeiten in der Natur missglückt erfahrungsgemäß die eine oder andere Messung. Nur zwei der insgesamt 12 Messgeräte stellten etwas vorzeitig ihren Dienst ein. In Anbetracht der komplexen Messungen ist das ein guter Wert.

Nun beginnt die eigentliche Arbeit der Wissenschaftler. Nach der Faustregel eines erfahrenen Kollegen heißen 16 Tage im Gelände messen, im Anschluss ca. 160 Tage im Büro zu verbringen. Dies bedeutet dann, gewissenhaft die Messdaten analysieren und bewerten. Allerdings wird am Ende häufig ein Pulk neuer Fragen aufgeworfen.

 

Verfasst von Steffen Grünler

Als wissenschaftlicher Angestellter prüfe, analysiere und interpretiere ich mittels komplexen Messtechnologien aufgenommene Daten. Der Fokus der Naturuntersuchungen liegt hierbei auf Strömungs- und Transportprozessen in Tideästuaren.