Morten Klöpper

Als wissenschaftlicher Angestellter im Bereich Wasserbau im Küstenbereich untersuche ich die deutschen Ästuare und Küstengewässer und nutze dabei überwiegend hydrodynamisch numerische Modelle.

Eine Sandkiste für die Elbe

Im Osten der Elbinsel Wilhelmsburg graben sich seit Monaten Bagger durch Hamburgs wohl größte Sandkiste (Bild 1, oben). Doch was hat es damit auf sich? Auf dem Baustellentag der Jungen HTG ergab sich die Gelegenheit die Fläche jenseits des Kreetsander Hauptdeichs zu besichtigen und die Hintergründe des Projekts zu erfahren.

Die Maßnahme Kreetsand ist, anders als in einigen Medien immer wieder zu lesen, nicht in erster Linie eine Ausgleichsmaßnahme für die geplante Elbvertiefung, sondern vielmehr ein Pilotprojekt im Rahmen des Tideelbekonzeptes.

Übersichtskarte Kreetsand

Bild 2: Übersichtskarte Kreetsand

Das Tideelbekonzept wurde durch die Hamburg Port Authority (HPA) und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes aufgestellt um der in vielerlei Hinsicht unvorteilhafte Entwicklung des Systems Tideelbe entgegen zu wirken. Phänomene wie der stromauf gerichtete Transport von Sedimenten (Tidal pumping Effekt) oder der Anstieg des Tidehubs in Hamburg  beeinträchtigen sowohl die Hafenwirtschaft und Schifffahrt (Akkumulation von Sedimenten im Hamburger Hafen, Reduktion des Tideniedrigwassers) als auch den Hochwasserschutz und die Natur (z.B. Verlandung von Seitenbereichen und Nebenelben).

Zur Entwicklung und Umsetzung eines nachhaltigen Ästuarmanagements ist ein fundiertes Verständnis der Hydro- und Morphodynamik des Systems Tideelbe unerlässlich. Mit Hilfe physikalischer und numerischer Modelle sowie spezieller Naturmesskampagnen untersucht die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in der Dienststelle Hamburg seit Jahrzehnten das Systemverhalten der Tideelbe und trug damit wesentlich zur Entwicklung des Tideelbekonzeptes bei. Weiterhin untersuchte die BAW im Auftrag der HPA diverse Varianten (darunter auch Kreetsand) zum Anschluss zusätzlichen Flutraums an die Tideelbe.

Die Vergrößerung des Tidevolumens der Elbe wirkt dämpfend auf den Tidehub und kann die Flutstromdominanz sowie den stromauf gerichteten Transport von Sedimenten reduzieren. Die Untersuchungen der BAW zeigen u.a., dass neben der Größe vor allem die Lage des Flutraums maßgebend für seine Wirkung auf das Ästuar ist.

Besonders wirksam sind Flächen in Hamburg. Im urbanen Raum gibt es aber kaum verfügbare Flächen. Die Maßnahme Kreetsand bildet hier eine Ausnahme. Das ehemalige Spülfeld wurde bereits vor Jahren ausgedeicht und liegt seit 2010 im Naturschutzgebiet Auenlandschaft Norderelbe.  Nach Fertigstellung wird ein ökologisch wertvolles Flachwassergebiet entstehen. Erahnen kann man dies bereits im südlichen Teil der Fläche. Hier ist bereits der Anschluss an die Elbe hergestellt. Dazu wurde ein Teil des wertvollen Auenwaldes verpflanzt (im Bild 3, links der Öffnung zur Tideelbe).

So wie der fast fertiggestellte südliche Teil von Kreetsand soll einmal das gesamte Areal aussehen.

Bild 3: So wie der fast fertiggestellte südliche Teil von Kreetsand soll einmal das gesamte Areal aussehen.

Im nordöstlichen Bereich von Kreetsand soll ein Gebiet entstehen, das als Lebensraum für den geschützten Schierlings-Wasserfenchel besonders geeignet sein soll. Daher wurde die Maßnahme Kreetsand auch in die Liste der Ausgleichsmaßnahmen für die geplante Fahrrinnenanpassung der Elbe aufgenommen.

Für die Herstellung des geplanten Sohlniveaus müssen ca. zwei Millionen Kubikmeter Boden  entfernt werden. Das Material ist unterschiedlich stark kontaminiert, wird schichtweise ausgebaut und auf einem eigens hergerichteten Zwischenlager aufbewahrt. Erste wenn geeignete Abnehmer gefunden worden sind, wird das Material per LKW oder über einen baustelleneigenen Anleger per Schiff abtransportiert. Teile der Fläche sehen daher aus wie eine riesige Sandkiste (Bild 4).

Bild 4: In einem Zwischenlager auf Kreetsand warten Berge von Bodenaushub auf den Abtransport

Bild 4: In einem Zwischenlager auf Kreetsand warten Berge von Bodenaushub auf den Abtransport

Nach aktuellen Planungen soll die Fläche im Jahr 2019 fertiggestellt werden. Im Sinne des Pilotcharakters bleibt zu hoffen, dass die Maßnahme Kreetsand  nur der Anfang einer ganzen Reihe von Flächen sein wird, die der Tideelbe wieder zur Verfügung gestellt werden können.

Verfasst von Morten Klöpper

Als wissenschaftlicher Angestellter im Bereich Wasserbau im Küstenbereich untersuche ich die deutschen Ästuare und Küstengewässer und nutze dabei überwiegend hydrodynamisch numerische Modelle.

Nachgefragt: Modellierung von Morphodynamik

Ich habe mich mit Frau Dr. Zorndt über das Thema „Modellierung von Morphodynamik“ unterhalten. Frau Dr. Zorndt hat an der Leibnitz Universität Hannover Bauingenieurwesen studiert und anschließend am Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen promoviert. Seit 2014 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Wasserbau im Küstenbereich der Bundesanstalt für Wasserbau. Dort beschäftigt sie sich unter anderem mit der Morphodynamik der Weser.

Klöpper: Frau Dr. Zorndt, Sie waren Ende September auf dem internationalen Workshop Morphodynamics 2015 an der TU Hamburg-Harburg. Was versteht man unter Morphodynamik?

Zorndt: Der Begriff Morphologie bedeutet allgemein die Lehre der Gestalt. Die Morphodynamik beschreibt die Änderung der Morphologie im Laufe der Zeit. Im Wasserbau oder Küsteningenieurwesen ist überwiegend die Geomorphologie gemeint. In Tideflüssen besteht das Gewässerbett überwiegend aus sandigem Material, manchmal auch aus feinkörnigeren Schluffen. Veränderungen des Gewässerbettes durch Erosion oder Sedimentation werden durch Tideströmungen und Seegang induziert. Über lange Zeiträume kann man in der Natur die Verlagerung von Prielen und Rinnen beobachten – ein Resultat des Sedimenttransports.

Klöpper: Sie verstehen sich als Küsteningenieurin. Der Workshop, auf dem Sie waren, wurde aber vom Institut für Geotechnik und Baubetrieb der TUHH organisiert. Sind das nicht ganz unterschiedliche Disziplinen?

Zorndt: Im Küsteningenieurwesen kommt überwiegend die prozessbasierte morphodynamische Modellierung zum Einsatz. Im Workshop ging es darum, welche Erkenntnisse oder Methoden aus dem Bereich der Geotechnik gewonnen werden können, um die Konzepte oder Parametrisierungen des Sedimenttransports in morphdynamischen Modellen zu verbessern.

Klöpper: Was ist prozessbasierte morphodynamische Modellierung?

Zorndt: Es ist eine Methode, morphodynamische Prozesse zu simulieren. Mit Hilfe eines mathematischen Verfahrens werden Hydrodynamik und Transportprozesse (z.B. von Sedimenten) berechnet. Daraus ergibt sich die morphologische Änderung im Untersuchungsgebiet. Wir betrachten hierbei jedoch nicht einzelne Sandkörner, sondern ein vereinfachtes Ersatzsystem, nämlich einen Bodenkörper, der aus bestimmten Sedimentfraktionen zusammengesetzt ist. Unsere Sedimenttransportformeln werden dann für jede dieser Fraktionen gelöst. Hierbei parametrisieren wir den Beginn der Sedimentbewegung mit Hilfe der Bodenschubspannung. Erst beim Überschreiten einer kritischen Schubspannung beginnt die Bewegung der Sedimente. Für unsere großen Untersuchungsräume (100e von Quadratkilometern) und oft langen Simulationsdauern (Wochen bis Monate) ist das ein geeigneter Modellansatz. Es ist jedoch eine starke Vereinfachung der natürlichen Prozesse, bei der die Bewegung des einzelnen Sandkorns nur parametrisiert wird. Die Wahl des Modellaufbaus und der einzelnen Komponenten ist dabei immer von der Fragestellung abhängig, denn ein Modellsetup, das für alle Raum- und Zeitskalen geeignet ist, gibt es nicht.

Klöpper: Wo kann ich dann nachlesen, was dem aktuellen Stand der Technik oder Wissenschaft in der morphodynamischen Modellierung entspricht?

Zorndt: Das ist eine Frage, die auch auf dem Workshop thematisiert wurde. Denn ein Merkblatt oder eine Richtlinie, wie es sie in anderen Bereichen gibt, haben wir nicht. Die Entwicklung eines solchen Dokuments wurde auf dem Workshop diskutiert.

Klöpper: Verwenden die Geotechniker auch die prozessbasierte morphodynamische Modellierung?

Zorndt: In der Geotechnik werden zurzeit Methoden weiter entwickelt und angewendet, die tatsächlich die Bewegung von einzelnen Partikeln beschreiben, wie zum Beispiel Smoothed Particle Hydrodynamics, die Discrete Element Method oder die Material Point Method. Die Physik der Sedimentbewegung kann mit Hilfe dieser Methoden komplexer abgebildet und höher aufgelöst betrachtet werden. Damit werden Prozesse betrachtet, die wir in unseren Modellen nicht abbilden können. Allerding können mit solchen Modellansätzen nur sehr kleine Raum- und Zeitskalen betrachtet werden.

Klöpper: Das bedeutet, man müsste einen Weg finden die verschiedenen Modellansätze miteinander zu verbinden?

Zorndt: Viele Prozesse, nehmen wir nur mal den Porenüberdruck im Boden, der zu Sedimentbewegung führt, können wir mit Hilfe der heutigen Sedimenttransportformeln nicht berücksichtigen. Für die Morphodynamik können diese Prozesse aber durchaus wichtig sein. Das sehen wir z.B. beim schiffserzeugten Sedimenttransport oder dem Einfluss von Seegang auf Wattflächen. Ein Ziel des Workshops war es daher zu diskutieren, wie man die oben genannten Methoden der Geotechnik nutzen kann, um diese Prozesse in unseren Modellen zu beschreiben oder parametrisieren.

Klöpper: Und was haben Sie aus dem Workshop mitgenommen?

Zorndt: Im Workshop konnten wir die Zusammenführung der Methoden nur oberflächlich andiskutieren. Aber dieser interdisziplinäre Austausch ist wichtig. Bei der BAW wird dieser Austausch hausintern schon länger gepflegt, da hier beide Fachdisziplinen (Geotechnik und Wasserbau) unter einem Dach sitzen und eng zusammen arbeiten. Das Thema ist auch nicht neu, die BAW unterhält bereits Forschungs- und Entwicklungskooperationen mit Geotechnikinstituten der Universitäten. Bis zur ersten Umsetzung wird es aber sicherlich noch einiges an Forschungs- und Entwicklungsarbeit benötigen.

Klöpper: Herzlichen Dank Frau Dr. Zorndt für diese Einblicke.

Verfasst von Morten Klöpper

Als wissenschaftlicher Angestellter im Bereich Wasserbau im Küstenbereich untersuche ich die deutschen Ästuare und Küstengewässer und nutze dabei überwiegend hydrodynamisch numerische Modelle.

Die BAW ist „Emsig“ am Messen – Erste Eindrücke vom Messprogramm Ems 2015

Nach monatelangen Planungen startete am Sonntag den 28.06.2015 das groß angelegte Messprogramm der BAW auf der Ems. Bei der einwöchigen Kampagne werden abiotische Parameter wie z.B. Strömungsgeschwindigkeit und -verteilung (ADCP), Salz- (CTD) und Schwebstoffgehalt (ADCP und Wasserproben) gemessen. Mit der Kampagne werden zweierlei Ziele verfolgt. Übergeordnetes Ziel ist eine zusätzliche Validierungsgrundlage für den Aufbau des neuen hydrodynamisch numerischen Emsmodells zu schaffen. Das numerische Modell stellt ein zentrales Werkzeug für die Beratung der WSV und für die Ressortforschung der BAW dar. Des Weiteren werden die erhobenen Daten dabei helfen, das grundlegende Zusammenwirken der komplexen abiotischen Prozesse im System Ems besser zu verstehen. Dieses Verständnis ist immanent um schlussendlich geeignete Maßnahmen zur Verbesserung des Systemzustandes der Ems entwickeln zu können. Eine zentrale Fragestellung ist hierbei, wie weit das Salz in Abhängigkeit vom Oberwasserabfluss in die Ems vordringt. Wie verhält sich beispielsweise der vertikale Salzgradient in Gebieten mit ausgeprägter fluid-mud Dynamik? Ein weiteres Augenmerk liegt auf dem sich verändernden hydraulisch wirksamen Querschnitt im Verlauf der Tide in den Bereichen mit fluid-mud.

 

Ausgeprägte fluid-mud Schicht (Pfeile) im SES am Querprofil Weener

Ausgeprägte fluid-mud Schicht (Pfeile) im SES am Querprofil Weener

Die BAW führt die Messkampagne in Kooperation mit dem langjährigen niederländischen Partner Aqua Vision BV durch. Drei Messboote sind dabei zeitgleich im Einsatz. Im Zweischichtsystem werden acht Ganztidenmessungen über einen Zeitraum von jeweils 13 Stunden auf Querprofilen durchgeführt. Das Querprofil bei Gandersum dient dabei als Referenzprofil. Zeitgleich zu den Messungen an den Querprofilen Pogum, Jemgum, Weener und Rhede werden jeweils Referenzmessungen bei Gandersum durchgeführt. Durch die zeitgleiche Messung lassen sich residuelle Transporte nicht nur über einen Querschnitt, sondern auch über Flussabschnitte bilanzieren. Um das Eindringen der Salzfront in das Ästuar zu erfassen, werden an anderen Tagen mit zwei Schiffen rotierende Längsprofile gefahren. Damit kann die Änderung des vertikalen Salzgradienten über den Tideverlauf nachvollzogen werden. Die Konzeption der Messung ist damit genau auf die Anforderungen der BAW ausgelegt. Allerding ist damit auch ein hoher logistischer und personeller Aufwand verbunden. Der Einsatz von Material und Personal muss daher vorab minutiös durchgeplant werden.

ADCP-, CTD- und SES-Daten

Die ADCP-, CTD- und SES-Daten laufen beim Operator zusammen.

Als sich am Vorabend des ersten Messtages die Besatzungen der drei Messboote kurz vor Mitternacht im Hauptquartier im Deichof bei Leer (Ostrfriesland) versammelt, wird schnell klar, dass die beste und akribischste Planung durch das Unplanmäßige vor Ort beschränkt ist. Nach zwei Tagen des Aufbaus und der Probemessungen funktionierte nicht alles, was im heimischen Labor noch reibungslos klappte. Gegen kurz nach drei Uhr am Sonntagmorgen startete der erste Trupp, um die Messkampagne zu eröffnen. Widrigkeiten wie nicht anspringende Autos, Straßensperrungen und die Verwechslung zwischen Fahrt-über-Grund und Fahrt-im-Wasser torpedieren den Zeitplan schon bevor der Messquerschnitt erreicht wird. Die besonderen Verhältnisse im Ästuar Ems, mit extrem hohen Schwebstoffkonzentrationen fordern die Messtechnik bis in den Grenzbereich.

extreme Schwebstoffkonzentration

Die extreme Schwebstoffkonzentration lässt sich schon optisch erkennen.

Am Ende zahlen sich das Knowhow und die Erfahrung der Kollegen jedoch aus. Im Verlauf der ersten Stunden der Kampagne laufen dann alle Systeme einwandfrei. Dank hoher Flexibilität, großem persönlichen Einsatz und guter Planung läuft die Messkampagne mittlerweile planmäßig. Gemessen wird noch bis zum Samstag den 04.07.2015.

Messgeräte an Bord

CTD, Trübungssensor und direkt befestigter Entnahmeschlauch (links), rechts die Steuerungseinheit mit Pumpe zur automatisierten Wasserprobenentnahme

 

Verfasst von Morten Klöpper

Als wissenschaftlicher Angestellter im Bereich Wasserbau im Küstenbereich untersuche ich die deutschen Ästuare und Küstengewässer und nutze dabei überwiegend hydrodynamisch numerische Modelle.