Im Zweijahresrhythmus finden BAW/BfG-Kolloquien zur ökologischen Durchgängigkeit statt. In diesem Jahr trafen sich ca. 150 Teilnehmer aus WSV, von Landesbehörden, Ingenieurbüros, Hochschulen und Universitäten sowie aus der (Energie-)Wirtschaft in der BfG in Koblenz. Und nein: es wurde nicht über die sportlichen Fähigkeiten der Teilnehmer diskutiert! Grundthema des Kolloquiums war die Standardisierung von Fischaufstiegsanlagen, sowie Notwendigkeit, Möglichkeiten und Grenzen dieser Standardisierung.
Die Vorträge reichten von der Definition eines „Standards“ als Wort über den Weg zur Festlegung von Standards bis hin zu verschiedenen Arbeitsergebnissen im Bereich Standardisierung, sowohl als nationale oder internationale Regelwerke als auch als Planungsempfehlungen. Die Zuhörer erfuhren, dass sich Standards auf ganz verschiedene Bereiche beziehen können: Prozessstandards, Bemessungsstandards, Bauteilstandards und auch Standards für die Qualitätssicherung – entweder für einzelne Verfahren bzw. Messmethoden, Messdaten oder für die eingesetzten Messwerkzeuge. Durch neue Erkenntnisse können und müssen sich Standards weiter entwickeln. In einem aufwändigen Prozess fließen diese ggf. in entsprechende Veröffentlichungen wie Regelwerke, Merkblätter o.ä. ein. Durch die Notwendigkeit die EU-Wasserrahmenrichtlinie zügig umzusetzen und die gleichzeitigen Wissensdefizite erfolgen Umsetzungsmaßnahmen (Bau von Fischauf- und Fischabstiegsanlagen) und entsprechende Forschung in parallelen Prozessen, die sich gegenseitig befruchten.
Der Blick über den Tellerrand hinaus wurde insbesondere durch die Vorträge internationaler Experten ermöglicht. Und da kommen dann die körperlichen Wanderfähigkeiten der Fische ins Spiel. Prof. Tony Farrell von der University of British Columbia in Kanada stellte seine Erfahrungen von den verschiedenen Sockeye-Lachs-Populationen am Fraser-River vor. Selbst innerhalb dieser Art fand er Marathonläufer und Couch-Potatoes. Nach Prof. Farrells Überzeugung haben sich durch die unterschiedlich langen Wege der Populationsgruppen zu ihren Laichgründen unterschiedliche Fähigkeiten ausgebildet, sodass ein Sockeye-Lachs, der aus einem der mündungsnäheren Laichgebiete stammt eine geringere Leistungsfähigkeit aufweist als ein Sockeye-Lachs, der mehrere hundert Kilometer weiter schwimmen muss um seine Laichgründe zu erreichen.
Vor diesem Hintergrund und der Anforderung nicht nur einer Fischart, sondern möglichst allen Arten der ursprünglichen lokalen Fischzönose Wanderungen zu ermöglichen, zeigen sich die Grenzen der Standardisierung. Umgekehrt lassen sich aber ohne Standardisierung kaum die Erwartungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie an eine schnelle Umsetzung der ökologischen Durchgängigkeit erfüllen. In diesem Spannungsfeld befinden sich Planung, Forschung und Entwicklung und letztlich auch die Qualitätssicherung im Bereich ökologische Durchgängigkeit. Damit ergibt sich auch immer wieder die Notwendigkeit verfügbare Standards am individuellen Standort zu hinterfragen. In Analogie zum Sport: Sowohl die Fische als auch Planer und Entwickler von Fischwanderanlagen brauchen Zähigkeit, Energie, Durchhaltevermögen und manchmal auch Mut, um ihr Ziel zu erreichen.
Verfasst von Anne Kampker
Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Wasserbau im Binnenbereich. Ich berate die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung bei der Planung von Fischaufstiegsanlagen.