Das 5. geotechnische Praktikum für Studierende der Helmut-Schmidt-Universität (2023 / 2024)

Traditionell und inzwischen aus Sicht des Geotechnischen Labors Hamburg durchaus routiniert wurde in den vergangenen Monaten das inzwischen fünfte geotechnische Praktikum für Studierende des Bauingenieurwesens der Helmut-Schmidt-Universität (HSU) ausgerichtet. Neben Studierenden der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) waren erneut (in deutlicher Mehrzahl) Studierende der Autobahn GmbH und der Bundeswehr dabei. Aus organisatorischen Gründen wurde das Praktikum dieses Mal über zwei Trimester verteilt.

Bereits im Oktober 2023 wurden die Bodenansprache und die Bodenklassifikation an einem Praktikumstag thematisiert. Nach einer kurzen Einführung durch Christian Puscher erläuterte Anne Heeling die fachgerechte Beschreibung des Bodens im Bohrkern. Anschließend konnten die Studierenden die Ansprache an Bohrkernen aus verschiedenen WSV-Projekten aus dem norddeutschen Raum selbst üben und das Material normgerecht visuell, mit Handversuchen oder dem Taschenpenetrometer untersuchen.

Im zweiten Teil dieses Praktikumstages wurden verschiedene Klassifikationsversuche in Kleingruppen stationsweise vorgestellt und von den Studierenden selbst durchgeführt. Die Sieb- und Schlämmanalyse wurde von Femke Behrens angeleitet, die für diesen Tag dankenswerter Weise vom WSA Rhein an die BAW „verliehen“ wurde. Dirk Augner betreute den Versuchsstand zum Kalk- und Glühverlust sowie der Feuchtdichte. Simone Loritz aus dem Geotechnischen Labor Karlsruhe zeigte zusammen mit Julia Sorgatz, wie die Konsistenzgrenzen ermittelt werden. An einer vierten Station wurden die Probenentnahme im Feld mit dem BAW-eigenen Bohrgerät durch Björn Mettig sowie die Bauwerksmessung von Andre Frauendorf vorgestellt.

Gruppenfoto beim Klassifikationspraktikum vor dem Bohrgerät

Der zweite Praktikumsteil mit Fokus auf Versuche zur Bestimmung von Festigkeitseigenschaften fand an zwei Tagen in zwei Kleingruppen im Februar 2024 statt. Martin Pohl erläuterte zum Einstieg die Bedeutung der höherwertigen bodenmechanischen Versuche für die geotechnische Praxis. Anschließend arbeiteten die Studierenden an der Herstellung eines Prüfkörpers für einen Einaxialen Druckversuch oder Triaxialversuch. Hierbei wurde der Schwierigkeitsgrad in diesem Jahr erhöht. Nach einer kurzen Übungsphase an künstlichem Probenmaterial wurde auf Probenmaterial aus einem WSV-Projekt umgestellt.

Die so gewonnenen Prüfkörper wurden anschließend im Einaxialen Druckversuch untersucht, um Eingangswerte für den Geotechnischen Bericht zu generieren. Neben dem Einaxialen Druckversuch wurde an dieser Station mit Julia Sorgatz auch die Laborflügelsonde vorgestellt. Beide Versuche dienen der Bestimmung der undränierten Scherfestigkeit. An einer zweiten Station, die von Dirk Augner betreut wurde, lernten die Studierenden den Triaxialversuch als „Goldstandard“ zur Bestimmung der Scherfestigkeit und des Spannungs-Verformungsverhaltens von Boden kennen. Da der Triaxialversuch mit einer Versuchsdauer zwischen ein bis drei Wochen den Praktikumsnachmittag gesprengt hätte, übten die Studierenden primär den Probeneinbau am Versuchsstand. Die verschiedenen Arten und Phasen des Triaxialversuchs wurden erläutert.

Studierende beim Probeneinbau am isotropen Triaxialversuchsstand

An der letzten Station des Tages wurde der Ödometerversuch kurz vorgestellt und der eigens in der BAW entwickelte Versuchsstand gezeigt. Verschiedene Arbeitsblätter zur Auswertung der Versuche sowie ein kurzes Lehrvideo zum Triaxialversuch ergänzten das praktische Lehrangebot der BAW.

Dem Laborteam der BAW haben die Praktika wieder viel Spaß bereitet. Wir hoffen, dass es den Studierenden ähnlich ging. Besonders bedanken, liebe Simone und Femke, möchten wir uns für eure „externe“ Unterstützung aus Karlsruhe und Bingen. Ohne euch wäre das Praktikum für uns Hamburger Kolleg:innen deutlich schwieriger zu realisieren gewesen.

Informatives Treffen der Beteiligten der Flächenvoruntersuchung des BSH / Informative meeting of those involved in BSH’s preliminary site investigation for offshore wind

Am 16. November 2023 fand der gemeinsame Besuch des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (Referat O2/Flächenvoruntersuchung) und Mitarbeitenden des Ingenieurbüros Ramboll (Hamburg sowie Espoo/Finnland) bei der BAW in Hamburg – Rissen (Referat K6/Geotechnik Küste) statt.

On November 16th, the joint visit of the Federal Maritime and Hydrographic Agency (BSH) (Department O2/preliminary investigation of sites) and members of the engineering firm Ramboll (Hamburg and Espoo/Finland) took place at the BAW in Hamburg – Rissen (Department K6/geotechnical engineering in coastal areas).


Alle Teilnehmenden sind maßgeblich an der Flächenvoruntersuchung des BSH im Rahmen der Ausschreibung von Flächen zur Errichtung und zum Betrieb von Windenergieanlagen auf See beteiligt. Für diesen Zweck werden geotechnische Feld- und Laborversuche durchgeführt welche zum Teil auf dem Schiff sowie in verschiedenen europäischen Laboren durchgeführt werden. Die Offshore-Arbeiten werden durch Ramboll sowie BAW und BSH begleitet. Entsprechende Ergebnisse werden durch das Ingenieurbüro Ramboll sowie die BAW in geotechnische Berichte gefasst und durch das BSH veröffentlicht.

All participants are significantly involved in the BSH’s preliminary site investigations as part of the tendering process for areas for the construction and operation of offshore wind turbines. For this purpose, geotechnical field and laboratory tests are carried out, some of which are performed on the ship and in various European laboratories. The offshore work is accompanied by Ramboll as well as BAW and BSH. The corresponding results are summarised in geotechnical reports by Ramboll and BAW and later published by the BSH.

Im Laufe der nun bereits einige Jahre andauernden vertrauensvollen Zusammenarbeit kam es leider bisher noch kaum zu persönlichen Treffen in größerer Runde außerhalb von Videokonferenzen. Der informelle Austausch diente allen Beteiligten sich und die BAW besser kennenzulernen. Hierbei hat u. a. auch Marko Kasten vom Referat K1 (Küsteningenieurwesen) einen informativen Vortrag gegeben, in welchem er aktuelle und zukünftige Projekte des Küsteningenieurwesens der BAW beleuchtet hat. Abgerundet wurde der Besuch mit der Besichtigung des geotechnischen Labors.

In the course of this fruitful co-operation, which has now lasted for several years, there have unfortunately hardly been any personal meetings in larger groups outside of video conferences. This informal exchange helped everyone involved to get to know each other and BAW a bit better. Marko Kasten from Department K1 (Coastal Engineering) also gave an informative presentation in which he highlighted current and future coastal engineering projects at BAW. The visit was concluded with a tour of the geotechnical laboratory.


Verfasst von Mussie Kidane

Als wissenschaftlicher Angestellter des Referats K6 beschäftige ich mich vorwiegend mit geotechnischen Fragestellungen im maritimen sowie küstennahen Bereich.

Über‘s Arbeiten und (noch) nicht Fertigsein: Forschung und Erlebnisse an der KTH / Work in progress: Research and experiences at the KTH

In diesem Blogbeitrag berichte ich über meinen Forschungsaufenthalt an der Kungliga Tekniska Högskolan (Königlich Technischen Hochschule, KTH) in Stockholm, der nicht nur von bahnbrechenden Erkenntnissen in der Bodenmechanik 😉, sondern auch von sportlichen Herausforderungen und Weihnachtsstimmung geprägt war.

In this blog post, I will share some impressions from my research stay at the Kungliga Tekniska Högskolan (Royal Institute of Technology, KTH) in Stockholm, which was not only packed with ground-breaking research in soil mechanics 😉, but also with sportive challenges and Christmas spirit.

Das Institutsgebäude im winterlichen Kleid / The institute building in its winter dress

Forschung zur Variabilität von Baugrundeigenschaften / Research about the variability of ground properties

Die übliche Annahme von homogenen Bodeneigenschaften in einer Bodenschicht ist eine Vereinfachung einer oftmals viel komplexeren räumlich heterogenen Bodenrealität. Wir müssen davon ausgehen, dass die Baugrundeigenschaften streuen und mit Unsicherheiten belegt sind. Sieben Wochen durfte ich in der Gruppe Soil and Rock Mechanics an der KTH bei Prof. Stefan Larsson und Dr. Johan Spross zu Gast sein, um mich mit diesem Phänomen und speziell der Quantifizierung von Unsicherheiten zu beschäftigen.

The common concept of homogeneous ground properties in a geotechnical unit is a simplification of an often more complex, spatially heterogeneous ground reality. We have to assume that ground properties are scattered and subject to uncertainty. I was invited to spend seven weeks as a guest researcher working with Dr. Johan Spross in the Division Soil and Rock Mechanics headed by Prof. Stefan Larsson to investigate these uncertainties and methods for their quantification.

Ziel des Forschungsaufenthalts war es, einen in der Arbeitsgruppe entwickelten Ansatz zur multivariaten Datenanalyse weiterzuentwickeln und auf unseren eigenen Datensatz anzuwenden. Die Ergebnisse sollen unter anderem bei der Anwendung des neuen Eurocode 7 helfen. Die Arbeit wurde durch Diskussionen und Austausch sowohl an der KTH als auch mit Kolleg*innen in der BAW unterstützt. Auch die regelmäßige Teilnahme an den Seminaren der Arbeitsgruppe und das Arbeiten in einem internationalen Team waren wichtige Erfahrungen, von denen ich profitieren konnte.

The aim of the research stay was to continue working on an approach to multivariate data analysis developed in the division and apply it to our own data set. Among other things, the results are intended to assist with the application of the new Eurocode 7. The work was supported by discussions and exchanges both within the group at the KTH and with colleagues at BAW. Regular participation in the group’s seminars and working in an international team were also important experiences from which I could benefit.

Mein Arbeitsplatz in Schweden, wo wie auch in Deutschland, das Standardbuch für Zuverlässigkeitsberechungen von ANG & TANG (2007) einen festen Platz hatte / My Swedish workplace that, as in Germany, features the standard workbook for probabilistic engineering by ANG & TANG (2007)

Internationaler Austausch, Shuffleboard und mehr / International exchange, shuffleboard and more

In der Arbeitsgruppe traf ich unter anderem mit Promovierenden und Postdocs aus Schweden, Spanien, Italien, China und dem Iran zusammen. Die Vielfalt der Perspektiven bereicherte nicht nur die wissenschaftlichen Diskussionen, sondern schuf auch eine offene und anregende Atmosphäre. Insgesamt war ich beeindruckt von dem wertschätzenden Umgang miteinander, der auch einen sehr guten wissenschaftlichen Output zu liefern scheint. Ein fester Bestandteil meines Alltags an der KTH war die traditionelle schwedische Kaffeepause, auch Fika genannt, welche immer donnerstags stattfand. Hier trafen sich Kollege*innen, um bei einer Tasse Kaffee und einem süßen Gebäckstück zu plaudern. Diese informellen Treffen boten eine gute Gelegenheit, mehr über die Forschung der anderen zu erfahren und sich in entspannter Atmosphäre auszutauschen.

In the division, I met with PhDs and Postdocs from Sweden, Spain, Italy, China and Iran, among others. The diversity of perspectives not only contributed to the academic discussions, but also created an open and stimulating atmosphere. Overall, I was impressed by the respectful interaction with each other, which also seems to deliver a very good scientific output. An integral part of working at KTH was the traditional Swedish coffee break, also known as Fika, which always took place on Thursdays. Colleagues would meet here to chat over a cup of coffee and a sweet pastry. These informal meetings offered a great opportunity to learn more about the research of other colleagues and to exchange ideas in a relaxed atmosphere.

Fika in diesem Fall mit schwedischen „Geburtstagsflaggen“ anstelle von Geburtstagskerzen / Fika in this case with Swedish „birthday flags“ instead of birthday candles

Neben der Forschung kam auch der Spaß nicht zu kurz. Eine besondere sportliche Herausforderung war ein Shuffleboard-Spielabend, was für Nicht-Schweden gleichbedeutend mit Curling auf einem langen, mit künstlichem Sand bedeckten Küchentisch ist. Mit den Kolleg*innen teamweise im Wettbewerb sorgte insbesondere die Qualifikation der internationalen Spieler*innen für zahlreiche Lacher. Ein weiterer Höhepunkt war der Kulturnachmittag, bei dem jeder sein Heimatland vorstellte, z.B. durch traditionelle Speisen, Filme und Bilder aus der Heimat. Das Luciafest und die Institutsweihnachtsfeier rundete meinen Aufenthalt ab. Bei beiden Veranstaltungen gab es traditionelle schwedische Küche zusammen mit schwedischem Gesang.

In addition to research, there was also plenty of fun. One particular sportive challenge was the shuffleboard evening which for Non-Swedes translates into curling on a long kitchen table that is slightly covered by arteficial sand. Competing in teams with colleagues, the qualification of the international players in particular provided plenty of laughs. Another highlight was the afternoon of cultural exchange, where everyone presented their home country, e.g. through traditional dishes, films and pictures. The Lucia Festival and the institute’s Christmas party completed my stay. Both events featured traditional Swedish cuisine together with Swedish singing.

Fazit / Bottom line

Wie so oft in der Forschung fängt die Arbeit nach dem Forschungsaufenthalt erst richtig an. In den nächsten Monaten müssen die Ergebnisse der sieben Wochen in Publikationen verpackt werden und es gibt viele neue interessante Fragen, die beantwortet werden wollen. Ich bin dankbar, dass die BAW den Aufenthalt unterstützt hat. Auch möchte ich mich bei der Arbeitsgruppe in Schweden bedanken, die mich sehr herzlich aufgenommen hat. Die Zeit an der KTH prägte nicht nur meinen wissenschaftlichen Blickwinkel, sondern auch mein persönliches Wachstum. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.

As often the case in research, the actual work begins after the research stay. Over the next few months, the results of these seven weeks have to be turnded into publications and there are many new interesting questions that need to be answered. I am grateful that the BAW supported my stay. I would also like to express my sincere graditude to the division in Sweden, who gave me a very warm welcome. The stay at KTH not only contributed to my scientific perspective, but also to my personal growth. I look forward to our collaboration in the future.

Schon gesehen? Fotos von früheren Modellen im Wasserbau

Jetzt geht ein Jubiläumsjahr der BAW zu Ende. Die BAW selbst besteht seit 75 Jahren und zählt als Nachfolgerin der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau (VWS), die im Jahre 1903 in Berlin gegründet worden war, mit 120 Jahren Erfahrung zu den ältesten Wasserbaulaboratorien der Welt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde auch die Forschungslandschaft Deutschlands gespalten. In Berlin und Potsdam wurde ab 1945 die Forschungsanstalt für Schifffahrt, Wasser- und Grundbau (FAS) als Nachfolgeeinrichtung fortgeführt. 1948 wurde die BAW wegen der großen Bedeutung einer effektiven wasser- und erdbaulichen Infrastruktur für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Bundesrepublik als neue Versuchsanstalt in Karlsruhe mit einer Außenstelle in Hamburg gegründet, siehe auch https://izw.baw.de/publikationen/bawaktuell/0/BAW_Aktuell_03_2023.pdf und https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/baw-geschichte/.

Derzeit wird verstärkt der Fotofundus gesichtet, um das Bildmaterial im historischen Bildarchiv der BAW (https://izw-medienarchiv.baw.de/search) zugänglich zu machen. Um insbesondere die Fotos von spannenden Versuchsanlagen und Modellen fachlich einordnen zu können, ist das Gutachtenarchiv der BAW (EWISA) hilfreich. Hier findet man fast alle Gutachten – nur einige fehlen kriegsbedingt oder weil sie 1990 mit der DDR entsorgt wurden. Hier nur ein kleiner Einblick, der hoffentlich neugierig macht.

So ist im Wasserbau die große Anzahl der in den 1950er und 1960er Jahren von – verglichen mit heute – wenigen Ingenieuren (es waren tatsächlich alles Männer) erstellten Gutachten zu bewundern. Ein Versuchsingenieur, der 1955 in der FAS als Berufsanfänger begonnen hatte, war zwischen 1955 und 1959 an acht Gutachten beteiligt. Die früher kürzeren Bearbeitungszeiten im Wasserbau sind sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass Aufträge zur Untersuchung oft erteilt wurden, wenn der Bau bereits begonnen hatte. Bauwerke wurden oft weniger als fünf Jahre nach Auslieferung des Gutachtens in Betrieb genommen.

Oft wurden verschiedene Fragestellungen eines Projektes an unterschiedlichen Modellen von einem Versuchsingenieur untersucht. Bei der Talsperre Spremberg sollten Kräfte und Strahlformen bei verschiedenen Wehrklappenstellungen, die dynamische Belastung des Wehrkörpers, Leistungsfähigkeit von Hochwasserüberfall und Grundablass untersucht und das Tosbecken dimensioniert werden. Die Talsperre Spremberg dient dem Hochwasserschutz des Spreewalds und der Brauchwasserversorgung der Braunkohlekraftwerke. Sie war eine der ersten Talsperren, die im Flachland gebaut wurden (1958-1964) und ist die viertgrößte deutsche Talsperre bezogen auf die Seenfläche bei Vollstau. Allerdings wurde sie auch damals nicht vollständig entsprechend den Empfehlungen der FAS gebaut, so dass der gleiche Versuchsingenieur nach Fertigstellung des Bauwerks verschiedene Parameter erneut bestimmen und optimieren musste. Das spricht allerdings dafür, dass tatsächlich eine Erfolgskontrolle stattfand. Letztendlich fehlen heute oft Messdaten der ausgeführten Maßnahmen, um auch die Prognose von Modellen nachträglich zu prüfen. Inzwischen wurde die Talsperre Spremberg zwischen 2005 und 2016 generalsaniert (links das Auslaufbauwerk 2018 im Luftbild und rechts das Modell des Tosbeckens 1955).

Häufig sind ähnliche Fragen bei unterschiedlichen Projekten zu beantworten. Dann werden die Erfahrungen mehrer Projekte zusammengeführt und Entwurfs- oder Handlungsempfehlungen abgeleitet. Z. B. nachdem mehrer Hochwasserentlastungen zu bemessen waren, entwickelte die FAS ein nomografisches Verfahren zur Dimensionierung seitlicher Schussrinnen. Offenbar waren früher zumindest im Flussbau dafür mehr Ressourcen vorhanden, die heute für die Erstellung eigener Rechenmodelle eingesetzt werden. Auffällig ist, dass früher die Empfehlungen oft von Abteilungs- oder Referatsleitern abgeleitet wurden, die auch die Forschungsprojekte leiteten. Wenn die Empfehlungen veröffentlicht wurden, findet man sie übrigens im offenen Fachrepositorium rund um den Wasserbau HENRY der BAW z. B. https://hdl.handle.net/20.500.11970/106101.

Auch für die Modelle selbst mussten Methoden festgelegt werden. So kamen für flussbauliche Projekte zwischen 1948 und 1954 sieben Geschiebetransport-Modelle zum Einsatz.  Man knüpfte dabei an die Kenntnisse mit gefälleverstärkten Sandmodellen, die vor dem Krieg gesammelt worden waren, an.  Dazu führte man vergleichende Untersuchungen an zwei nach dem Krieg noch vorhandenen Modellen durch. Dies betraf u. a. das Modell Schönebeck, Elbe-km 304-309. Zusätzlich zum wiederhergestellten Modell Schönebeck im Maßstab 1:50 (unten links) wurde ein weiteres Modell der Strecke im Maßstab 1:125 aufgebaut, um eine sogenannte „Modellfamilie“ bewerten zu können. Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden im Jahr 1954 dann Ähnlichkeitsbeziehungen abgeleitet, die eine Grundlage für künftige Untersuchungen mit gegenständlichen Geschiebetransportmodelle legten. Ein wenig drängt sich der Eindruck auf, dass in der FAS Modelle auch dann mit beweglicher Sohle betrieben wurden, wenn das für die Lösung Aufgabe nicht unbedingt erforderlich war – weil man es so gut konnte.

Die neu gegründete BAW in Karlsruhe betrieb auch viele gegenständliche Modelle, wobei anfangs ebenfalls Hochwasserbetrachtungen eine große Rolle spielten. Z. B. wurden in den 1950er Jahren die Veränderungen der Strömung bei Nutzung des Schleusenkanals für die Hochwasserabfuhr am Wehr Heilbronn an einem Modell im Maßstab 1:25 (unten links) und die Ausbildung von Kolken bei Hochwasser am Modell (1:45) des Wehrs Poppenweiler am Neckar (rechts) untersucht.

Bei einem Rheinmodell bei Emmerich (ca. Rh-km 850) mit fester Sohle fallen die Rauheitselemente ins Auge, die für die Modellähnlichkeit des großen Modellgebietes (Maßstab Länge 1:250, Höhe 1:50) erforderlich waren. Das Modell war 87 m lang und 21 m breit.

Vergleicht man das Gutachten zu einem Pumpspeicherwerk bei Stuttgart (BAW 1961) mit denen von Markersbach (FAS 1968), fällt die ähnliche Gliederung auf. Auch waren die Gutachten früher offenbar ausdrücklich an den Auftraggeber adressiert, so dass allgemeine Ausführungen zum Projekt fehlten. Die Gutachten waren an die Wasserbau-Fachleute gerichtet und beantworteten dadurch sehr knapp die Fragen. Insbesondere im Flussbau enthalten aktuelle Gutachten nun fachliche Einstimmungen oder Erläuterungen für Fachfremde, da sie oft in Beteiligungsprozessen genutzt werden.

Wegen der großen Bedeutung des Geschiebetransports nutzt man an Elbe und Oder auch für umfassende Analysen langer Flussabschnitte Modelle mit beweglicher Sohle, um Regelungsvorgaben auf ihre Aktualität hin zu prüfen und um Wirkungsmechanismen zu erkunden. Während früher die sogenannte „Berliner Methode“ zum Einsatz kam, bei der das Geschiebematerial im Modell mit Sand abgebildet wurde und das Gefälle im Modell verstärkt werden musste, wird heute Kunststoffgranulat benutzt (siehe auch https://blog.baw.de/wp/?m=202108). Zwischenzeitlich kam sowohl in Karlsruhe als auch in Berlin Braunkohlegrus zum Einsatz.

Die beiden Modelle der Oder, Hohensaaten um Od-km 667 (links), Sandmodell von 1953 im Maßstab 1:60 und Hohenwutzen um Od-km 665, Modell mit Polystyrolgranulat von 2005, Maßstab 1:110 (Länge), 1:40 (Höhe) zeigen die Sohlstruktur der wandernden Dünen sehr ähnlich.

Fotos zum Vergleich früherer Vorgehensweisen beim Modellaufbau- und Betrieb mit heute finden sich im Tagungsband „Wissen über das Gestern für Aufgaben von heute“ https://www.baw.de/de/publikationen/tagungsbaende/tagungsbaende.html, in dem auch weitere Ausführungen zur Geschichte der BAW zusammengefasst sind.

Es lohnt sich, frühere Aufgabenspektren, Arbeitsmethoden und Ergebnisse einer geschichtsträchtigen Versuchsanstalt zu kennen. Auch wenn sich heute infolge anderer Anforderungen und Modellmethoden konkrete Arbeitsweisen verändert haben, bleibt die grundsätzliche Aufgabe, die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung bei ihrer Tätigkeit praxisnah zu unterstützen. Unsere traditionsreiche Einrichtung kann dabei auf einen Wissensfundus zurückblicken, der für aktuelle Aufgaben genutzt werden sollte – auch wenn sich jede Generation das Wissen neu erschließen muss. Bisher wurden vorliegende Daten und Kenntnisse aus früheren Untersuchungen und Forschungsprojekten nur wenig genutzt, um z. B. neue Berechnungsmodelle zu validieren.  Aber es gibt wenige Beispiele für solche Nachnutzungen. So wurden im Rahmen der eindimensionalen Feststofftransportmodellierung Geschiebetransportformeln auch mit Unterstützung von Modelluntersuchungen der 1950er/60er Jahre und der daraus abgeleiteten Zusammenhänge optimiert.

Vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen, die sich der Zusammenstellung der Fotos und deren Beschreibung widmen.

Die BAW beim HTG Kongress 2023 in Bremen

Vom 1.-3. November 2023 fand der diesjährige Kongress der Hafentechnischen Gesellschaft (HTG) in Bremen im Maritimen Hotel mit rund 650 Teilnehmenden statt. Die BAW war in diesem Jahr nicht nur mit insgesamt fünf Vorträgen von BAW Mitarbeitenden beteiligt, die das vielfältige Spektrum der Aufgaben der BAW zeigten, sondern auch erstmalig mit einem eigenen Messestand.

Messestand der BAW am Begrüßungsabend.

Insbesondere am Begrüßungsabend war dieser bei Snacks und Getränken Anlaufpunkt für viele Besucher zum fachlichen und persönlichen Austausch. Neben der BAW waren hier über 30 weitere Aussteller vertreten, die sich und ihre Arbeit, Dienstleistungen und Produkte über den gesamten Kongress präsentierten. So zeigte zum Beispiel auch die HPA ihren, mit Kamera und mehreren Sensoren ausgestatteten Roboterhund „Spot“, der z. B. zur Inspektion der Hamburger Köhlbrandbrücke eingesetzt wird. 

Am ersten Tag fand außerdem die Mitgliederversammlung der HTG statt, in der unsere Kollegin und Leiterin des Referats Ästuarsysteme II (K3) Dr. Jessica Kelln als Teil des neuen 20-köpfigen Präsidiums der HTG gewählt wurde. Herzlichen Glückwunsch an Jessica zu ihrer neuen Aufgabe!

Das Vortragsprogramm stand – getreu dem Motto der Veranstaltung „Transformationsprozesse im Wasserbau“ – zu Beginn ganz unter dem Zeichen des Klimawandels und dessen Herausforderungen für den Wasserbau. In einem inspirierenden Gastvortrag der Meteorologin Prof. Dr. Daniela Jacob (Direktorin des Climate Service Center Germany) verdeutlichte sie, dass die Ingenieurstechnik in der Anpassung an die Folgen des Klimawandels eine wichtige Rolle spielen sollte und endete in dem Appell, dass wir uns als Ingenieure aktiv in die Diskussion um die Realisierbarkeit der Klimaziele einbringen müssen. Dies wurde durch Prof. Dr. Heinzelmanns Vortrag zu den Potenzialen der Binnenschifffahrt zur Verbesserung des Klimaschutzes und den Arbeiten der BAW in diesem Bereich aus Praxissicht unterstrichen.

Bei einem zwanglosen Kongressdinner in der Markthalle Acht mit internationalen Streetfood-Ständen konnte man die Vorträge des Tages sacken lassen, bevor es am Folgetag mit weiteren spannenden Vorträgen, unter anderem der BAWler Gregor Melling, Frank Kösters, Thomas Nuber und mir selbst, weiterging. Insgesamt können wir auf eine runde Veranstaltung mit vielen spannenden Vorträgen, Gesprächen und leckerem Essen zurückblicken und freuen uns schon auf den nächsten HTG Kongress, auf dem die BAW erneut mit einem Messestand vertreten sein wird.


Live & Lehrreich – Prüferschulung zur Bauwerksinspektion

Dr.-Ing. Jörg Bödefeld während der Schulung – Foto: A. Müller

Im hybriden Format fand vom 6. bis 16. November 2023 eine Schulung für sachkundiges Ingenieurpersonal zur Bauwerksinspektion nach VV-WSV 2101 statt. Den erfolgreichen und abwechslungsreichen Abschluss bildeten die Präsenztage am 15. und 16. November am BAW-Standort Karlsruhe. Mit über 30 Teilnehmenden aus ganz Deutschland konnten sowohl zahlreiche Mitarbeitende der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) als auch von externen Parteien begrüßt und in Sachen Bauwerksinspektion geschult werden.

Die Präsenztage boten eine breite Palette an Themen rund um die Bauwerksinspektion, darunter Beispiele und Übungen zum BAWMerkblatt „Schadensbewertung an Verkehrswasserbauwerken der Inspektionskategorie A“ (MSV-A). Zudem standen im IT-Schulungsraum der BAW praxisnahe Übungen zum Programmsystem der Bauwerksinspektion WSVPruf auf der Agenda. Getreu dem Motto „Live & Lehrreich“ erhielten auch innovativen Inspektionsmethoden besondere Aufmerksamkeit, welche den Teilnehmenden durch beeindruckende Demonstrationen nähergebracht wurden. Beispielsweise kam der terrestrische Laserscanner Leica P30 mit Unterstützung des Referats Numerische Methoden im Wasserbau zum Einsatz, der komplexe Flächen schnell und hochauflösend erfassen kann. Ein demonstrativer Drohnenflug über dem BAW-Gelände ermöglichte den Schulungsteilnehmenden zudem einen Einblick in die Bedienung dieser innovativen Methode.

Ein Gruppenfoto der anderen Art – aufgenommen mit dem terrestrischen Laserscanner Leica P30 – Aufnahme: K. Leismann

Im Rahmen des BAW-Talks erhielten die Schulungsteilnehmenden die Möglichkeit, in einer interaktiven Session Fragen an die Kollegen aus den Referaten Massivbau, Baustoffe, Stahlbau und Korrosionsschutz zu stellen. Dies ermöglichte den direkten Zugang zu kompetenten Ansprechpartnern für fachliche Fragen. Die Referenten teilten zudem spannende Einblicke und Erfahrungswerte im Kontext der Bauwerksinspektion. Für thematische Abwechslung sorgten die Referate Schiffahrt und Flussbau mit der Vorstellung des Schiffsführungssimulators sowie einer Führung durch die Wasserbauhalle V, die nicht nur informative Einblicke bot, sondern auch den Rahmen für einen geselligen und gemütlichen Abend zwischen den faszinierenden Modellversuchen bildete.

Der Austausch von Wissen und Erfahrungen hat nicht nur dazu beigetragen, die Schulung zu bereichern, sondern wird auch einen nachhaltigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Bauwerksinspektion leisten. Wir bedanken uns bei allen Beteiligten, die zu diesem erfolgreichen Event beigetragen haben und blicken mit Vorfreude auf das kommende Jahr, denn: Nach der Schulung ist vor der Schulung!

BAWKolloquium Instandsetzung und Neubau von Verkehrswasserbauwerken: innovativ – risikominimiert – nachhaltig

Den ersten Tag des BAWKolloquiums eröffnete der Leiter der BAW, Herr Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Heinzelmann, mit Grußworten an die Teilnehmenden und einem Einblick in das vielfältige Portfolio der BAW. Die ersten beiden Vortragsblöcke beinhalteten interessante Beiträge zu den technischen Randbedingungen der Bauteilversuche Oberesslingen, der dort gewählten Vergabe- und Vertragsstruktur sowie dem Prozess der Angebotsbearbeitung und der Konzepterstellung der Bauteilversuche. Darüber hinaus wurden grundsätzliche Aspekte der partnerschaftlichen Zusammenarbeit bei Projekten an Bundeswasserstraßen und alternative Vergabeverfahren in den Niederlanden thematisiert. Im Mittelpunkt des dritten Vortragsblocks standen Beiträge über die Möglichkeiten des Einsatzes großformatiger Fertigteile beim Neubau von Schleusen unter Berücksichtigung der Aspekte Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit, Dauerhaftigkeit und Baustellenlogistik.

In den Veranstaltungspausen und beim gemeinsamen Abendessen am Ende des ersten Veranstaltungstags konnten zwischen den über 150 Teilnehmenden aus Verwaltung, Planungsbüros, Ausführungsunternehmen und Wissenschaft interessante Gespräche geführt sowie Kontakte geknüpft und vertieft werden.

Der zweite Veranstaltungstag stand zunächst im Zeichen der Nachhaltigkeit von Verkehrswasserbauwerken. Nach einer allgemeinen Einführung in die Thematik erfolgte die Vorstellung erster Ansätze zur Ökobilanzierung von Schleusen. Weiteres Thema waren bislang kaum bekannte Korrosionsprozesse an Bewehrung in Rissen im Unterwasserbereich infolge durchströmungsbedingter Auslaugungsprozesse. Ergänzt wurde diese Thematik um Ausführungen zu unterschiedlichen Bauweisen von Meerwasserschleusen mit dem Ziel einer langfristigen Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung sowie zu deren Ökobilanzierung. Im letzten Vortragsblock des Kolloquiums wurden am Praxisbeispiel der Planung der neuen U-Bahnlinie U5 in Hamburg Ansätze zum zielgerichteten CO2-reduzierten Bauen vorgestellt.  Den Abschluss des Kolloquiums bildeten Vorträge zu Instandsetzungsmaßnahmen an der fast 100 Jahre alten Schleuse Anderten und zum Neubau des Außenhauptdrempels der Seeschleuse Papenburg unter laufendem Betrieb.

Die Interaktion mit dem Publikum und die zahlreichen Fragen verdeutlichten, dass die auf dem BAWKolloquium adressierten Themen für die Fachwelt von hohem Interesse und großer Relevanz sind. Allen Vortragenden sei an dieser Stelle nochmals für die spannenden und informativen Beiträge sowie den Teilnehmenden für die anregenden Fragen und Diskussionen gedankt.

Herr Westendarp und Herr Dr. Rahimi bei der Beantwortung der Fragen nach dem Vortrag zur Instandsetzung der Schleuse Anderten

Volle Fahrt in Richtung Klimaanpassung

Wasserstraßen und Klimaanpassung? Zwei Themenkomplexe, die auf Grund der Häufung von Extremereignissen wie Niedrigwasser oder Starkregen in den vergangenen Jahren immer mehr zusammengerückt sind. Um aktuelle Forschung der BAW dazu in einem internationalen Kontext vorzustellen und zu diskutieren, war die BAW auf der diesjährigen 7. Adaptation Futures Konferenz vertreten.

Die Adaptation Futures Konferenz fand vom 02. bis 06. Oktober 2023 in Montréal (Kanada) statt und widmete sich ausschließlich der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Die Konferenz ist eine Veranstaltung des „World Adaptation Science Programme“, welches eines von vier Bestandteilen des „World Climate Programme“ bildet. Die kanadische Großstadt bot eine „gute“ Kulisse für eine solche Konferenz, da Tageshöchsttemperaturen von bis zu 28 °C im Oktober die Notwendigkeit der Klimaanpassung unterstrichen. Mit über 2000 Teilnehmenden und fast 180 Sessions (teils hybrid angeboten) wurde auf der Konferenz Raum für eine Vielzahl an Themen geschaffen. Das Programm reichte von Fehlanpassung über Anpassungswege hin zur Rolle von WissensvermittlerInnen in der Klimaanpassung. In Vorträgen sowie partizipativen Sessions wurden unterschiedliche Konzepte und Fallstudien diskutiert. Der Austausch zwischen ExpertInnen hat Einblicke in die Anwendbarkeit unterschiedlicher wissenschaftlicher Methoden gegeben. Dies ermöglicht es, die eigene Arbeit in den Forschungsbereich der Klimaanpassung einzuordnen und weiterzuentwickeln. 

Um die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden auf die Herausforderungen der Klimaanpassung von Wasserstraßen zu lenken, wurde in der Session „Basins’ Resilience, Water Adaptation and Management: Challenges and Opportunities” unter anderem das an der BAW im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerks durchgeführte FuE-Projekt „Klimawirkungsanalyse für die Binnenwasserstraßen“ vorgestellt. In dem Vortrag ging es insbesondere darum zu verdeutlichen, wie Wissen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Binnenwasserstraßen gewonnen und in die Praxis gebracht werden kann, um eine prozessbezogene Klimaanpassung zu unterstützen. Das Thema traf auf großes Interesse und Fragen, wie bspw. zu der Möglichkeit einer länderübergreifenden Anwendung der Methode, wurden gestellt und diskutiert.

Fünf spannende Konferenztage haben gezeigt, dass Klimaanpassung sehr vielfältig ist, jedoch die Umsetzung auf lokaler Ebene und das Einbeziehen unterschiedlicher Interessensgruppen von größter Bedeutung ist. Motiviert statt frustriert ging es zurück nach Karlsruhe, um die Anpassung der Wasserstraßen an den Klimawandel weiter voranzubringen.

Die WeSBe fliegt – Webanwendung zur Schlitzpass-Bemessung geht online

Was hat ein „Insekt mit Rechtschreibfehler“ mit der BAW zu tun?

Im Referat W1 kümmern wir uns unter anderem um die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit an Bundeswasserstraßen. Zusammen mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), Referat U10, beraten wir die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) bei Planung und Bau von Fischauf- und Fischabstiegsanlagen und forschen an offenen Fragen. Ein weiteres Ziel ist es, der WSV Hilfsmittel an die Hand zu geben, die die Planung vereinfachen bzw. standardisieren. Und hier kommt unsere Webanwendung zur Schlitzpass-Bemessung – kurz WeSBe – ins Spiel.

Der Schlitzpass ist ein häufiger Bautyp für Fischaufstiegsanlagen. Als Variante des Beckenpasses kennzeichnet ihn ein vertikaler Schlitz in den Trennwänden zwischen den Becken, der über die gesamte Fließtiefe reicht. Grundprinzip ist, den Gesamthöhenunterschied an einem Wanderhindernis zwischen den einzelnen Becken stückweise zu überwinden. Schlitzpässe kommen bei Planungen an Bundeswasserstraßen oft zur Anwendung, da mit ihnen bei vergleichsweise geringem Platzbedarf auch höhere Gesamtfallhöhen überwunden werden können.

Im Merkblatt DWA-M 509 sind Empfehlungen zur Bemessung von Schlitzpässen und die dafür notwendigen hydraulischen Berechnungen aufgeführt. Bei der Bemessung werden unter anderem die Ober- und Unterwasserstände an der entsprechenden Stauanlage und die Fischarten, die den Schlitzpass später passieren sollen, berücksichtigt. Mit diesen Angaben werden zum Beispiel Beckenabmessungen, Sohlhöhen und die Beckenanzahl bzw. die Höhendifferenz zwischen den Becken festgelegt. Die Ermittlung zentraler hydraulischer Kenngrößen wie dem Betriebsabfluss erfolgt mit den im Merkblatt DWA-M 509 aufgeführten Berechnungsvorschriften.

Die Bemessungsempfehlungen und hydraulischen Berechnungen des Merkblatts DWA-M 509 wurden mit WeSBe in eine möglichst einfache und intuitive Webanwendung verpackt. Die Webanwendung führt Schritt für Schritt durch die Bemessung und die Berechnung. Bei der Eingabe werden, wenn möglich, Empfehlungen für die Festlegung der Kenngrößen aufgeführt. Bei Bedarf können zusätzliche Hilfetexte aufgerufen werden. Ein Ergebnisexport steht als PDF-Dokument und als Excel-Tabelle zur Verfügung.

WeSBe kann direkt über wesbe.baw.de erreicht werden und ist öffentlich zugänglich. Außerdem findet sich WeSBe im IZW-Campus. Dort gibt es auch weitere nützliche Infos zur ökologischen Durchgängigkeit – unter anderem ein Erklärvideo zur Funktionsweise von Schlitzpässen (https://izw-campus.baw.de/goto.php?target=cat_6233&client_id=iliasclient).

Wir danken allen, die bei der Entwicklung mitgearbeitet haben, vor allem dem Team der Biz-Factory GmbH und wünschen viel Spaß bei der Anwendung! Keine Angst, die WeSBe sticht nicht!

Happy Birthday, Rijkswaterstaat!

Vor 225 Jahren wurde Rijkswaterstaat (RWS) gegründet, die niederländische Institution für Entwicklung, Bau, Betrieb und Unterhaltung niederländischer Primärinfrastruktur. Dieses Jubiläum feierte RWS vom 01. bis 03. November im schönen Delft mit dem International symposium on adaptive management of urbanized deltas und mit Gästen aus 27 Staaten von Albanien über China bis zu den USA.

Über verschiedenste Formate konnten sich die Teilnehmenden einen breit gestreuten Ein- und Überblick über Fragestellungen und Lösungsansätze im internationalen Umfeld zum Thema Anpassung an die Folgen des Klimawandels verschaffen: Von hochrangig besetzten Keynotes über Impulsvorträge und Exkursionen bis hin zu Kaffeepausen ergab sich viel Raum und Bereitschaft zum persönlichen Kennenlernen und fachlichen Austausch.

Von den vielfältigen BAW-Aktivitäten im Kontext Anpassung an den Klimawandel konnten im Rahmen der Session Climate resilient waterways: cross border challenges Impulse zur vorausschauenden Anpassung der Bundeswasserstraßen an zukünftige vom Klimasystem gegebene Randbedingungen gesetzt und die folgenden ausgewählten Beispielprojekte kurz skizziert werden: BAW-Beiträge zum Aktionsplan „Niedrigwasser Rhein“, DAS Basisdienst Klima&Wasser, KlimoBin (Klimawandel-bedingte Veränderungen der Morphodynamik der Binnenschifffahrtsstraßen) sowie das Infosystem zu Wirkungen veränderter klimatischer Randbedingungen auf die Bundeswasserstraßen (im Rahmen des BMDV-Expertennetzwerks). Die Impulse stießen international auf großes Interesse, was sich an den vielen vertiefenden Gesprächen im Nachgang zur Fachsession zeigte.

Ein weiterer Bestandteil des Symposiums waren Ausflüge zu prominenten und aktuellen Rijkswaterstaat-Projekten (z. B. zu den Seeschleusenanlagen IJmuiden) sowie Partnerinstitutionen (Deltares). Obwohl sich durch den Durchzug eines Ausläufers des Sturmtiefs Ciarán Einschränkungen bei Begehungen im Außenbereich ergaben, konnten die Exkursionen durchgeführt werden – ganz im Gegenteil zur Holländischen Meisterschaft im Tegenwindfietsen (gegen-den-Wind-Radeln), die leider wegen zu starken Windes abgesagt werden musste.

Im Verlauf des Symposiums fand insgesamt der Kurs der BAW Bestätigung, sich auch der Anpassung an den Klimawandel sowie dem Klimaschutz intensiv zu widmen und dabei die richtigen Fragen zu stellen. Die klimawandelbedingten Herausforderungen für Wasserstraßen haben – unbeschadet regionaler Besonderheiten – international große Ähnlichkeiten. Der Austausch zu Lösungsansätzen auch über das Symposium hinaus dürfte daher von großem Vorteil für alle Institutionen sein, die sich des Themas angenommen haben.

Künstlerische Visualisierung von Inhalten, die auf dem Symposium diskutiert wurden.
Visualisierungen zur Veranstaltung; Quelle: RWS

An diesem Beitrag hat dankenswerterweise Hauke Stachel mitgewirkt.