Michael Akstaller ist Künstler und Wissenschaftler. Er hat in der BAW und BfG geforscht und ist nun als einer von sechs Künstlern im deutschen Pavillon der Biennale Venedig vertreten.
Im Gespräch mit der BAW erzählt er von der Faszination des Experimentierens – in der Wissenschaft sowie in der Kunst: „Die Arbeit in der BAW und die Kollegen haben mich immer wieder ermuntert, Dinge auszuprobieren.“
Akstaller untersuchte im Rahmen von diversen Forschungsarbeiten Sedimentbewegungen in Flüssen und die Einflüsse von menschgemachtem Unterwasserschall auf das Wanderverhalten von Fischen. In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigt er sich mit Beziehungen zwischen Klang und Raum, Bewegung und Performance.
Thresholds Für den deutschen Beitrag zur 60. Internationalen Kunstausstellung – La Biennale di Venezia hat die Kuratorin Çağla Ilk die Künstler*innen Michael Akstaller, Yael Bartana, Robert Lippok, Ersan Mondtag, Nicole L’Huillier und Jan St. Werner eingeladen, unter dem Titel Thresholds den Umgang mit Schwellen, Stufen und Grenzen zu suchen. Erstmals bewegt sich die Ausstellung des Deutschen über die Grenzen des Pavillongebäudes in den Giardini della Biennale hinaus auf die benachbarte Insel La Certosa. Dort haben vier Künstler ihre Installationen aufgebaut – unter anderem Michael Akstaller. Seine Installation „Scattered by the trees (Von den Bäumen verstreut)“ befasst sich mit der akustischen Eigenheit von Wäldern und Baumgruppen. Auf einer Lichtung hat er zwei Cones installiert, die Signale in Richtung der umstehenden Bäume senden, um die Weiterleitungseffekte wahrnehmbar zu machen. Bäume leiten die Frequenzen der Tiere weiter, obwohl sie keine eigenen Rezeptoren haben. Das macht sich die Klang-Installation zum Thema. Weitere Informationen zum Deutschen Pavillon und den ausstellenden Künstlern gibt’s hier: https://deutscher-pavillon.org/de |
Interview
BAW: Welche Geräusche hörst du gerade?
Michael Akstaller: Tatsächlich hat vor einiger Zeit eine Baumaßnahme neben meinem Atelier begonnen. Ich höre bzw. fühle gerade Schwingungen von einer Verdichtungswalze. Die Fenster sind zu; es ist ansonsten also recht ruhig hier.
BAW: Wie kam es zu der Idee Klang-Installationen zu machen und was hat die Wissenschaft damit zu tun?
Michael Akstaller: Ich glaube es ist dabei wie mit so vielem im Leben, die Dinge führen von Einem ins Nächste. Ich bin von meinem Studium an der Kunstakademie in das Thema Klang eingetaucht und seitdem untersuche ich sämtliche Facetten von Sound. Meine Arbeiten sind dabei meistens sehr ortsspezifisch. Die Form innerhalb der Ausstellung ergibt sich eigentlich immer relativ zum Schluss, wenn ich das Thema gefunden habe, wenn ich die Umgebung zu verstehen beginne. Natürlich fasse ich Pläne und formuliere meine Vorstellungen, aber bis jetzt gab es bei all meinen Arbeiten eine Veränderung später im Prozess, die das Ergebnis maßgeblich geprägt hat. Diese Freiheit oder Flexibilität innerhalb der Suche kenne ich bis jetzt eigentlich nur aus dem wissenschaftlichen Arbeiten. Genauer, eigentlich aus den Labor- und Feldversuchen, die ich bisher begleiten durfte. Darin war eben nicht das Ziel ein Endprodukt zu schaffen, sondern Systeme zu verstehen und ein Prozessverständnis zu erlangen mit dem man – ganz klar – auch ein Ergebnis beeinflussen kann. Ich glaube es ist wie die Frage, ob am Schluss etwas auf dem Tisch liegen soll, was man bestellt hat, einen dabei aber wenig überrascht, oder ob man sich auf Experimente einlässt.
BAW: Die Überwindung von den Schwellen ist ja nicht nur Thema der Biennale sondern zeigt sich bestimmt auch zwischen Kunst und Wissenschaft. Wie forschend ist Kunst und wie kreativ ist Forschung?
Michael Akstaller: Ich glaube, dass künstlerische Arbeit erst anfängt relevant zu werden, wenn sie forschend ist. Und das meine ich nicht zwangsweise im naturwissenschaftlichen Sinne, aber auch. Künstler*innen der letzten Jahrhunderte waren immer getrieben durch Neugierde, optische, akustische, sozialwissenschaftliche Forschung, etc. Nehmen wir mal als Beispiel die Stilrichtung des Pointillismus. Aus heutiger Perspektive sind die aus einzelnen Farbpunkten zusammengesetzten Bilder vielleicht nichts mehr Besonderes, oder einfach „nur“ schön. Aus technologischem Blick heraus, könnte man die Werke als frühe Studie zu Monitoren sehen, deren Funktionsweise heute in jedem Smartphone oder als Sensor in jeder Kamera steckt. Fragen zu Auflösung, visueller Farbmischung, Entfernung von Betrachtern zum Bildträger, Bildkörnung, bis hin zu optischem Rauschen stecken alle in diesen Bildern. Die Künstler*innen von damals konnten mit diesen einzelnen Pixeln ganze Welten erschaffen, weil sie forschten, wie viele und welche Farbpunkte man brauchte um in der menschlichen Wahrnehmung ein Bild zu konstruieren. Das wird jetzt wieder relevant, wenn wir uns von anderen Systemen Bilder erschaffen lassen wollen. Eine AI muss das auch erstmal lernen.
Wir sollten die Kunst davon befreien, nur auf ihre Schönheit reduziert zu werden. Sie verzahnt sich viel intensiver in den wissenschaftlichen Diskurs als im allgemeinen angenommen. Meistens fehlt es an gemeinsamen Sprachen, um die Informationen gegenseitig teilen zu können. Kommunikation ist letztendlich eine der Grundvoraussetzungen für Interdisziplinarität. Diese Notwendigkeit fällt mir in meinen Arbeiten auch immer wieder auf. Da ich das Vergnügen hatte, neben der bildenden Kunst auch ein ingenieurwissenschaftliches Studium zu absolvieren, kann ich hier Brücken schlagen. Ich bemühe mich auch immer zu übersetzen. Die spannendsten Gespräche über Kunst habe ich mit Naturwissenschaftler*innen, aber das nur so am Rande. Wie forschend die Kunst ist, gilt glaube ich im Umkehrschluss genauso für die Kreativität in der Forschung. In meiner Zeit an der BAW war ich fasziniert vom kreativen Potential der gemeinsamen Arbeit an den physikalischen Flussmodellen. Sehr beeindruckt bin ich nach wie vor von der direkten Wirksamkeit von Einbauten. Ein Ziegelstein ins Modell gelegt, verändert ein komplettes System binnen Sekunden. Wir konnten damals beobachten, dass dieser Ziegelstein die Orientierung eines ganzen Wirbelsystems umgedreht hatte, was letztendlich unsere Probleme mit dem Sedimenteintrag in eine Kanalmündung verhindert hatte. Nimmt man den Stein wieder raus, dreht sich der Wirbel wieder zurück. Dieses Experimentieren ist Kreativität, nichts anderes machen Künstler auf der Leinwand.
BAW: Was sind deine Ziele als Künstler und wohin geht die Reise als Wissenschaftler?
Michael Akstaller: Ich versuche nächstes Jahr ein größeres Projekt zu starten, in dem ich in Fließgewässern akustische Phänomene untersuchen kann. Insbesondere die Klangausbreitung in Wechselwirkung mit Gewässerströmungen interessiert mich. Die Schallausbreitung unter Wasser wird maßgeblich über die Sohle, die Sohlform und die Wassertiefe bestimmt. In Meeren mit sehr viel größeren Wassertiefen gibt es dafür einige Untersuchungen, an Flüssen eher weniger, obwohl meistens die morphologischen Parameter bekannt sind. Es fehlen lediglich ein paar akustische Messungen und man könnte Korrelationen untersuchen. Ich halte gerade Ausschau nach Partnerinstitutionen, die mich eventuell mit Messtechnik unterstützen könnten. Es bleibt also spannend.
Vielen Dank, dass du dir Zeit für ein Gespräch genommen hast!
Verfasst von Franziska Herrmann
- Web |
- More Posts(6)